Oksa Pollock. Die Unverhoffte
gerade Sachen in den Kofferraum eines Autos. Offenbar war er verletzt, denn es fiel ihm schwer, das Gepäck zu tragen. Ein Junge half ihm dabei, sein Sohn. Ich habe gehört, wie sie sich stritten. Der Junge wollte dableiben und ›alles auf eine Karte setzen‹, wie er sich ausdrückte. Orthon war nicht einverstanden, er meinte, dass es sich schwieriger gestaltete als angenommen und dass sie sich einen neuen, besseren Plan ausdenken müssten. Dann sind sie eingestiegen und losgefahren.«
»Gut gemacht, Abakum!«, sagte Dragomira zu dem Hasen. »Das ist hochinteressant. Wenn Orthon weg ist, haben wir wenigstens für kurze Zeit Ruhe. Doch das alles verheißt nichts Gutes, und wir werden uns vor seinem zweiten Angriff, der nicht ausbleiben wird, etwas ausdenken müssen.«
»Ach, und ich habe den Grässlon bei ihm gesehen«, fügte der Hase hinzu.
»Ich habe es mir fast schon gedacht. Jetzt verstehe ich, wieso er in letzter Zeit so aggressiv war«, sagte Dragomira. »Er muss gespürt haben, dass sein Herr in der Nähe ist. Nun, zumindest treibt er sich nicht in freier Wildbahn herum, das ist die gute Nachricht. So aufgebracht, wie er war, hätte ich ihm zugetraut, dass er sich irgendeinem Von-Draußen in die Arme wirft, nur um uns in Schwierigkeiten zu bringen.«
»Jedenfalls haben wir das Schlimmste abwenden können«, stimmte ihr der Hase mit zitternden Barthaaren zu.
»Orthon hat also einen Sohn«, murmelte Leomido gedankenverloren, den Kopf in die Hände gestützt.
»Warum auch nicht?«, sagte der Hase mit sanfter Stimme. »Er hat im Da-Draußen ein normales Leben geführt, genau wie du. Wie wir alle.«
Da sich das Gespräch allmählich dem Ende zu nähern schien und sie nicht gerade versessen darauf waren, beim Spionieren erwischt zu werden, traten Oksa und Gus rasch den Rückzug an. Auf Zehenspitzen schlichen sie zu Gus’ Zimmer und ließen sich mit vor Aufregung geröteten Gesichtern aufs Bett fallen.
»Das ist ja ein Ding! Kapierst du das, Gus? Abakum ist ein Hase!«
»Ich würde eher sagen, dass der Hase, den wir gesehen haben, Abakum war«, berichtigte Gus, der inzwischen hellwach war.
Oksa lachte auf.
»Wie du meinst. Wahnsinn, oder?«
»Nein«, antwortete Gus mit gespielter Unbekümmertheit, »ich wüsste nicht, was daran außergewöhnlich sein soll. Im Ernst, Oksa, sprechende Hasen laufen mir täglich über den Weg! Genau wie Mädchen, die wie Raketen in die Luft gehen, zwei Meter große Hühner und Pflanzen, die beim geringsten Anzeichen von Stress in Ohnmacht fallen. Für mich ist das alles völlig normal. Du dagegen bist wirklich leicht zu beeindrucken! Mal ehrlich, du solltest öfter unter die Leute kommen.«
Statt einer Antwort bekam er ein Kissen an den Kopf – und konterte mit einer Nackenrolle als Wurfgeschoss.
»Dein Glück, dass du verletzt bist!«, schimpfte Oksa und musste laut lachen. »Sonst könntest du jetzt was erleben.«
»Du glaubst doch nicht, dass du mir damit Angst machst.« Gus warf eine herumliegende Socke nach ihr. »Geh lieber wieder ins Bett und schlaf noch ein paar Stunden.«
Als Antwort schleuderte Oksa mit einem bloßen Blick die Socke, die auf dem Boden gelandet war, zu ihm zurück.
»Alte Angeberin!«, wehrte sich Gus grinsend. »Genau das bist du: einfach nur eine alte Angeberin!«
Als die beiden Freunde einige Stunden später in die Küche kamen, waren alle Rette-sich-wer-kann um einen riesigen Tisch versammelt und frühstückten.
»Was gibt es heute zum Mittagessen?«, erkundigte sich Oksa laut lachend. »Ich hätte nichts gegen einen leckeren Hasenbraten einzuwenden.«
Dragomira hob abrupt den Kopf und sah zu Abakum, der mit einem wissenden Lächeln die Augen niederschlug.
»Und Möhren als Beilage? Ach nein? Ihr habt keine Lust darauf? Dabei sind Möhren so gesund«, fuhr Oksa fort, ganz begeistert von ihren Anspielungen.
»Hör auf damit, Oksa«, flüsterte Gus, als Dragomira versuchte, schnell das Thema zu wechseln. »Du gehst zu weit.«
»Das sind meine Nerven«, antwortete sie ihm im selben Ton. »Die gehen einfach mit mir durch.«
»Es ist deine Verrücktheit, meinst du wohl! Du hast doch echt einen Knall.«
»Junge Huldvolle«, mischte sich der Plemplem ein, »ich habe die Befürchtung, dass der Genuss eines Hasenbratens in der Unmöglichkeit verkehrt, Euren Magen zu erfreuen. Aber ich unterbreite den Vorschlag, sich gegen dreizehn Uhr an Fischfilet mit Erbsen gütlich zu tun. Ah, die Geschirrspülmaschine hat das Klingeln versendet, die
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