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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Durcheinander! Es wird Monate dauern, bis das alles ausgepackt ist!«
    In jedem Zimmer standen Dutzende von Kartons. Es war weniger geräumig als in Paris, doch die Pollocks hatten das Riesenglück gehabt, ein typisch englisches, viktorianisches Haus aus rotem Backstein zu finden, mit einer Außentreppe, einem Erkerfenster und einem winzigen Hof mit einem schmiedeeisernen Tor. Das Erdgeschoss und der erste Stock wurden von Oksa und ihren Eltern bewohnt, die zweite Etage von Großmutter Dragomira, die bei ihnen wohnte, solange Oksa sich erinnern konnte.
    In der Etage von Dragomira Pollock war das Ambiente sehr viel ungewöhnlicher als in den unteren beiden Stockwerken. In dem barocken, mit goldbraunen Wandteppichen behängten Wohnzimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Schuld daran waren eigenartige Geschöpfe, die offenbar darum wetteiferten, wer das größte Chaos anrichten konnte. Winzige goldene Vögelchen taten sich dabei besonders hervor. Sie nahmen Anlauf um den Kristallleuchter und ließen sich dann wie Düsenjäger im Sturzflug fallen, um eine Art Kartoffel mit Lockenkopf zu piesacken, die auf dem purpurfarbenen Wollteppich umherstolzierte.
    »Nieder mit der Diktatur der Mollusken!«, skandierten die winzigen Vögel. »Wir lassen uns nicht länger unterdrücken! Auf in den Kampf gegen den Weichtier-Imperialismus, Freunde!«
    »He! Ich mag ja kurze Beine haben, aber ein Weichtier bin ich deswegen noch lange nicht. Ich bin ein Getorix!«, antwortete die Kartoffel und warf ihre lockige Mähne über die Schulter.
    »Kommando zum Bombenabwuuurf! Es lebe die Befreiung des unterdrückten Volkes!«
    Auf diese angriffslustigen Worte hin ließen die Vögel ihre gefährlichen Wurfgeschosse fallen: ein Dutzend Sonnenblumenkerne, die vom Rücken des Getorix abprallten.
    »Unterdrücktes Volk, von wegen!«, maulte der, hob die Kerne auf und schob sie in den Mund.
    Die ringsum stehenden Pflanzen reagierten sehr empfindlich auf diesen Tumult. Sie stöhnten und zappelten wie wild in ihren Töpfen. Eine von ihnen, die auf einem kleinen Beistelltisch thronte und besonders nervös war, ließ alle Blätter hängen. Sie sah aus, als würde sie frösteln.
    »SCHLUSS JETZT!«, rief Dragomira. »Seht nur, in welchem Zustand die Goranov euretwegen ist!«
    Die alte Dame raffte ihr weites violettes Samtkleid zusammen und kniete sich auf den Boden. Sie summte eine sanfte Melodie und massierte dabei die Blätter der verängstigten Pflanze, die mitleiderregend vor sich hin seufzte.
    »Wenn ihr so weitermacht«, sagte Dragomira streng, »sehe ich mich gezwungen, euch zu meinem Bruder auszuquartieren. Und ihr wisst, was das bedeutet: eine SEHR lange Reise!«
    Bei diesen Worten verstummten die Geschöpfe und Pflanzen augenblicklich. Alle hatten ihre letzte Reise in sehr schlechter Erinnerung, als Dragomira überstürzt und, wie sie fanden, unsinnigerweise nach London gezogen war. Sie hassten Transportmittel jeder Art. Zug, Schiff, Flugzeug, Auto: lauter teuflische Erfindungen, die nur dazu da waren, einem den Magen umzudrehen. Die Vögel hatten sich fast die ganze Reise über erbrochen, und die Pflanzen wurden beinahe von ihrem eigenen Chlorophyll vergiftet, das sauer geworden war wie abgelaufene Milch.
    »Husch, husch, ab ins Atelier!«, befahl Dragomira. »Ich muss los, heute ist der erste Schultag meiner Enkelin. Helft mir bitte, liebe Plemplems!«
    Zwei extravagante Geschöpfe in blauen Latzhosen wackelten eilig herbei. Eines der beiden war pummelig und sein Schädel mit zartem Flaum überzogen, das andere war spindeldürr und hatte ein zitronengelbes Haarbüschel auf dem Kopf. Doch ein paar Eigenschaften teilten die beiden: Sie waren nicht groß – nur etwa achtzig Zentimeter – und hatten ein pausbäckiges Gesicht und riesige blaue Augen, in denen bedingungslose Güte lag.
    »Die Befehle unserer Huldvollen sind die ewige Freude, Ihr habt die Gewissheit unserer Unterstützung und unserer Beständigkeit«, sagten sie ernsthaft.
    Dragomira ging auf einen riesigen Kontrabasskasten an der hinteren Wand zu und öffnete ihn: Er war leer. Dann legte sie die flache Hand auf die hölzerne Rückseite des Kastens. Sogleich schwang er auf wie eine Tür. Dragomira bückte sich, ging hindurch und steuerte auf die Wendeltreppe zu, die zu ihrem Atelier auf dem Dachboden führte. Die Plemplems nahmen jeder eine Pflanze in die Hand und folgten ihr brav. In ihrem Schlepptau betraten auch die anderen Geschöpfe den seltsamen Durchgang. Als die

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