Oksa Pollock. Die Unverhoffte
Getorix, der die Erde der Goranov mit winzigen Gartenwerkzeugen bearbeitete.
»Wer ist Eliot Ness?«, fragte der Kapiernix von dem rosa Samtsessel aus, in dem er kerzengerade stand.
»Eliot Ness? Ein Ermittler, der Schmuggler und hässliche Geschöpfe jagt«, antwortete der Getorix. »Und die Kapiernixe sind die Geschöpfe, die ihm am verhasstesten sind. Pech für dich!«
»Also ist Eliot Ness ein hässliches Geschöpf? So was aber auch! Der Arme!«
»Und der Kapiernix ist immer noch genauso neben der Kappe«, sagte Oksa lachend. »Nein, lieber Kapiernix«, fuhr sie fort und wandte sich dem zerknitterten Geschöpf zu. »Hör nicht auf diesen Frechdachs von Getorix, du bist bildhübsch und ich jedenfalls habe dich sehr gern.«
»Was? Was?«, mischte sich nun die Goranov lautstark in die Unterhaltung. »Die Mafia brennt Schnaps hier im Haus? Aber das ist doch lebensgefährlich!«
Ihre Blätter zitterten heftig, sie drohte jeden Moment in Ohnmacht zu fallen.
Der Getorix ahmte eine Krankenwagensirene nach und stürzte zu ihr. »Ein Notfall! Schnell, wir müssen ihre Erde durchhacken, ihre Füße brauchen Luft! Aus dem Weg, frische Luft, frische Luft … Halt durch, Goranov, hol tief Luft!«
Und er machte sich in aller Eile ans Hacken, während Oksa sich vor Lachen den Bauch hielt.
»Die sind alle verrückt. Völlig verrückt. Einfach toll!«, rief sie. Plötzlich rieb sie sich die Augen. »Baba! Was machst du denn da?«
»Was denn? Was hast du?«, fragte Dragomira ganz unschuldig.
»Baba! Aber, Baba!«
»Nicht besonders originell, meine Duschka, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Normalerweise bist du doch schneller in deiner Auffassungsgabe«, entgegnete ihre Großmutter schelmisch. »Bist du etwa schockiert?«
In der Tat war Dragomiras Haltung ziemlich ungewöhnlich: Ihre Füße klebten an der Wand, während ihr Körper waagrecht in der Luft lag, und dabei sah sie ihre Enkelin mit tiefernster Miene an. Nur ihre Augen verrieten ihre Belustigung.
Oksa hingegen war völlig baff. Und sie staunte noch mehr, als Dragomira mit einer Selbstverständlichkeit über die Wand ging, als gäbe es kein Unten und kein Oben. Munter pfeifend kurvte sie um die Wandgemälde und staubte lässig den riesigen Kolben ab.
»Haha! Die Junge Huldvolle wird ganz gaga von ihrer Baba«, spottete der Getorix.
»Pff …«, seufzte die Goranov, die gerade wieder zu sich kam.
Bei Dragomiras Anblick begannen die Froschlinge mit ihren schönen durchsichtigen Flügeln zu schlagen und graziös um ihre Herrin herumzuflattern.
»Bist du so nett, mir zu helfen, meine Duschka? Würdest du mir bitte ein Tuch bringen?«, fragte Dragomira, als wäre es gar nichts.
»Glaubst du, dass ich das kann? Wirklich?«, fragte Oksa. »Davon habe ich schon immer geträumt. Es ist so … magisch!«
»Natürlich! Was ich kann, kannst du auch. Du musst es einfach nur glauben. Verscheuche alle Gedanken, die dich daran hindern. Ich will nicht behaupten, dass das immer die Lösung ist und dass du auf diese Weise alles machen kannst, was du willst. In diesem speziellen Fall wirst du sehen, dass es ein guter Rat ist. Aber nimm zuerst einen der weißen Befähiger aus dem Glas dort auf dem Tisch.«
»Einen Befähiger? Wozu ist der gut?«
»Es gibt eine Menge Befähiger«, erklärte Dragomira, immer noch in der Waagerechten. »Im Lauf deiner Schulung werden dir noch manche von ihnen begegnen. Im Großen und Ganzen dienen sie dazu, die menschlichen Fähigkeiten für kurze Zeit zu steigern: Gleichgewichtssinn, logisches Denken, Geschwindigkeit, je nachdem. Der, den ich dir jetzt vorschlage, nennt sich Saugfusor. Du wirst gleich merken, wozu er dient. Er besteht aus einem Konzentrat von kriechenden Insekten und Efeu, mehr will ich dir nicht verraten.«
Oksa zögerte. Bei dem Gedanken an widerliche wimmelnde Insekten verzog sie angeekelt das Gesicht. Sie drehte und wendete die weiße Kapsel zwischen den Fingern und hielt sie sich ans Ohr, um zu horchen, ob irgendetwas Lebendiges darin war. Am liebsten hätte sie die Kapsel aufgeschnitten, um sich vom Gegenteil zu überzeugen, doch Dragomira beobachtete sie die ganze Zeit mit einem amüsierten Lächeln.
»Du weißt doch, dass wir jede Lebensform respektieren, meine Duschka«, stellte sie klar. »Niemals würden wir uns an irgendeinem Leben vergreifen. Niemals. Das ist ein unumstößlicher Grundsatz.«
Nachdem sie den Befähiger ein letztes Mal geschüttelt und skeptisch beäugt hatte, schluckte Oksa ihn
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