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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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dann – wie soll ich es sagen? – ließ sie ihre Harnblase im Stich. So kam ich auf die Idee, damit zu experimentieren, und es hat geklappt. So einfach war das.«
    »Von wegen, einfach!«, sagte Oksa und setzte sich auf dem Sofa auf. »Ich finde das ziemlich grandios. Und das kleine Mädchen? War es hinterher in dich verliebt?«
    Abakum lachte. »Überhaupt nicht! Sie hat um Hilfe für meinen durchnässten Rivalen gerufen und mich keines Blickes gewürdigt. Aber keine Sorge, ich bin darüber hinweggekommen. Immerhin hat mir diese Enttäuschung eines ganz deutlich gemacht: Ich war wie geschaffen für die Granukologie.«
    »Und deine Eltern? Was haben die dazu gesagt?«, wollte Oksa wissen.
    »Anfangs waren sie überrascht. Sie dachten, dass ich in ihre Fußstapfen treten und mich mit Design beschäftigen würde. Aber meine Leidenschaft für Pflanzen war so groß, dass sie mich schließlich gewähren ließen. Mit acht Jahren habe ich dann meine Lehre bei Mirandol begonnen, dem damals besten Granukologen Edefias. Er war ein alter Mann von hundertfünfzig Jahren und ein Anhänger Hildegard von Bingens, nach der das Genesium von Edefia benannt war – so hieß bei uns das Krankenhaus, wie du bestimmt erraten hast.
    Hildegard von Bingen war eine ganz außergewöhnliche Von-Draußen. Die Huldvolle Annamira ist bei einem ihrer Träumflüge auf das Leben dieser Frau aus dem zwölften Jahrhundert gestoßen. Sie war eine Mystikerin und Dichterin, aber bekannt wurde sie vor allem dank ihres außergewöhnlichen medizinischen Wissens, denn sie wusste um die Geheimnisse der Pflanzen. Annamira hat zu dieser Zeit viele Träumflüge nach Europa unternommen, und ihre Beobachtungen haben eine ganze Reihe von Granukologen inspiriert, darunter auch meinen lieben Mirandol, der mir so viel beigebracht hat. Und acht Jahre später bin ich dann in die Dienste der Huldvollen Malorane getreten.«
    »Mann, du warst aber ganz schön frühreif!«
    »Das kann man von dir genauso behaupten«, stellte Abakum fest.
    Er stand auf und ging zu einem der Schränke mit lauter winzigen Schubladen. Er zog eine ganze Reihe von ihnen auf, nahm jeweils etwas heraus, was wie eine kleine Pille aussah, und legte es in ein der Länge nach aufgeschnittenes Röhrchen. Die Pillen waren ganz unterschiedlich: rund, abgeflacht, länglich und in allerlei bunten Farben.
    »Komm mal hierher, jetzt gehen wir zur Praxis über. Holst du bitte dein Granuk-Spuck heraus?«

Intensivkurs in Granukologie
    Z
wei Stunden lang wiederholte Oksa gewissenhaft die Formeln, Funktionen und Namen der Granuks, als ob sie sie für eine Klassenarbeit auswendig lernte. Die beiden waren so vertieft, dass sie nicht einmal mitbekamen, wie sich die Centaurea bis in ihre Wurzeln streckte, um die beiden zu beobachten und den anderen Pflanzen im Silo genauestens Bericht zu erstatten.
    »Prima«, stellte Abakum fest. »Du bist eine sehr gute Schülerin und lernst wirklich schnell. Ich gebe dir eine glatte Eins.«
    »Ah, das ist schön!«, rief Oksa und streckte sich. »Ich glaube fast, Granukologie ist mein Lieblingsfach geworden. Danke, Abakum!«
    Sie schlang die Arme um den Hals des alten Mannes, der sie, gerührt von der spontanen Gefühlsäußerung, liebevoll an sich drückte.
    »Du hast mir vorhin vom gegenseitigen Respekt zwischen den Pflanzen und den Von-Drinnen erzählt«, sagte Oksa, als sie sich aus Abakums Umarmung gelöst hatte, »und jetzt frage ich mich, wie du dann ihre Blätter und Wurzeln und ihren Saft verwenden kannst. Das muss ihnen doch wehtun, oder? Widerspricht das nicht deinen Überzeugungen?«
    »Das hast du sehr gut beobachtet, Oksa«, antwortete Abakum. »Ich habe, wie auch Dragomira und Leomido, immer sorgfältig darauf geachtet, den Pflanzen und Geschöpfen, die unter meinem Dach leben, dieselbe Achtung und Fürsorge entgegenzubringen, wie es in Edefia üblich war. Wenn ich ihre Blätter brauche, schneide ich sie einfach ab, und glaub mir, wenn man das behutsam macht, dann leiden die Pflanzen nicht mehr darunter als du beim Haareschneiden. Was die Wurzeln betrifft, gehe ich genauso vor, und es ist, als ob ich ihnen die Nägel schneide. Dasselbe gilt für den Kamm des Kapiernix. Wobei der allerdings ziemlich langsam wächst …«
    »Genau wie sein Gehirn«, platzte Oksa lachend heraus.
    »Stimmt, genau wie sein Gehirn«, bestätigte Abakum und musste ebenfalls lachen. »Mit seinem Kamm verhält es sich wie mit unseren Fingernägeln: Er muss regelmäßig geschnitten

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