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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Pulsatilla hielt immer noch Oksas Handgelenk fest und schien nicht die Absicht zu haben, es je wieder loszulassen.
    »Und noch etwas: Sie ist eine sehr liebevolle Pflanze, aber das dürftest du inzwischen schon bemerkt haben, oder? Pulsatilla, wärst du so nett, mir Oksa wiederzugeben? Ich möchte ihr gern etwas zeigen.«
    »Nun mach schon, du Lattich, lass die Junge Huldvolle los!«, mischte sich der Getorix ein und zog mit aller Kraft an dem Stängel, der um Oksas Handgelenk geschlungen war.
    »Ich bin kein Lattich, du Zottelkopf!«, empörte sich die Pulsatilla. »Ich bin eine sehr nützliche und edle Pflanze, der Meister hat es gerade gesagt. Und ich brauche Zuneigung, um mich entfalten zu können. Weiß überhaupt irgendjemand hier, was das ist, Zuneigung?«
    Abakum bückte sich zu Oksa hinunter, die ihm etwas zuflüstern wollte.
    »Aber natürlich darfst du das«, sagte er.
    Oksa beugte sich über die Pulsatilla und drückte ihr einen zarten Kuss auf die größte Blüte. Sogleich ließ die Pflanze Oksas Handgelenk los und stieß einen so wohligen Seufzer aus, dass ihre Nachbarinnen ganz außer sich gerieten.
    Abakum nutzte die Gelegenheit, um Oksa auf ein kleines Zwischengeschoss auf halber Höhe des Silos zu führen. Dort war eine Werkstatt eingerichtet, mit einer Arbeitsplatte voller Werkzeug und riesigen Schubladenschränken wie bei Dragomira. Abakum bot Oksa einen Platz auf einem gemütlichen Sofa an und ließ sich selbst in einem Schaukelstuhl nieder.
    »«Nein, so was!«, rief Oksa. Ihre grauen Augen waren kugelrund vor Staunen. »Eine Pflanze, die ihre Gefühle zeigt? Das ist ja völlig verrückt! Ist das in Edefia bei allen so?«
    »Ja«, sagte Abakum. »Wir hören so aufmerksam auf die Natur und achten jede Lebensform, dass wir füreinander empfänglich geworden sind. In Edefia kommunizieren die Pflanzen mit den Menschen, weil die Menschen ihnen zuhören, so einfach ist das. Im Da-Draußen sind nur ganz wenige Menschen in der Lage, ihren Geist und ihre Sinne so zu öffnen, dass sie die Botschaften der Natur verstehen. Wladimir, Dragomiras Ehemann, gehörte zu jenen Menschen, genau wie sein Großvater Metschkow, der sibirische Schamane, der uns bei sich aufnahm. Weißt du, Oksa, Edefia funktioniert auf der Grundlage dieses gegenseitigen Respekts und dieser Aufmerksamkeit füreinander, jedenfalls war das früher so. In Edefia wurde auch nur so viel gearbeitet, wie für die Befriedigung unserer Bedürfnisse notwendig war; es ging nicht um die Anhäufung von materiellen Dingen, um Profit oder Überlegenheit. Es gab keine soziale Hierarchie, ein Bäcker war genauso viel wert wie ein Architekt, ein Müllmann hatte denselben Status wie ein Würdenträger des Pompaments. Jeder tat das, was er konnte, und zwar zum Wohl der Allgemeinheit. Mit diesem ausgewogenen System, das allen zugutekam, lebten wir, bis uns Malorane zeigte, dass es auch noch andere Gesellschaftsformen gibt. Es war ein schwerer Irrtum von Malorane, uns das Da-Draußen zeigen zu wollen …«
    »Was hast du gemacht, bevor du weggehen musstest?«, fragte Oksa, fasziniert von Abakums Erzählung. »Warst du auch ein Kräuterkundiger?«
    »Genau, ich war der Chef-Granukologe von Edefia und offizieller Kräuterkundiger und Apotheker der Familie der Huldvollen. Schon als kleiner Junge galt meine ganze Leidenschaft den Pflanzen. Ich konnte stundenlang auf dem Bauch im Gras liegen und sie beobachten, ob im Wald, auf den Wiesen oder im Gewächshaus. Mit sieben Jahren fing ich an, meine eigenen Mischungen zu kreieren und einfache Arzneimittel herzustellen. In diesem Alter habe ich sogar mein erstes Granuk erfunden. Aus Liebeskummer, stell dir vor!«
    »Oh, erzähl es mir, Abakum!«, bettelte Oksa, begierig die Antwort auf jene Frage zu bekommen, die zu stellen sie nicht gewagt hatte.
    »Ich war damals in ein kleines Mädchen verliebt, das aber nur Augen für einen anderen Jungen hatte. Natürlich konnte ich den nicht ausstehen. Um mich zu rächen, kreierte ich die Lachpissille. Was gibt es Besseres, um einen Rivalen aus dem Feld zu schlagen?, habe ich mir gedacht.«
    »Du hast die Lachpissille erfunden? Mit sieben Jahren? Wie hast du das geschafft?«
    »Durch Beobachtung, Oksa. Das ist oft der beste Weg, etwas zu verstehen und zu lernen. Mir war aufgefallen, dass die Schafe, wenn sie eine bestimmte Wiesenpflanze gekaut hatten, immer besonders übermütig umhersprangen. Sie rannten in alle Himmelsrichtungen, als würden sie sich vor Lachen schütteln, und

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