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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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bitten, einen Augenblick mit mir zu kommen. Ich bringe sie Ihnen gleich wieder, Monsieur Lemaire«, sagte er mit einem verkrampften Lächeln zu dem Französischlehrer.
    Oksa erhob sich und folgte dem Rektor, wobei sie sorgsam darauf achtete, nicht zu hinken. Ihr Knie verweste zwar nicht mehr, doch es schmerzte immer noch sehr. Sie musste sich jetzt unbedingt zusammenreißen. Mehr denn je.
    »Zwei Polizeibeamte sind hier, um den Vandalismus im Chemiesaal zu untersuchen«, teilte Monsieur Bontempi ihr in sachlichem Ton mit. »Sie wollen dir ein paar Fragen stellen, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    Bis sie das Büro erreichten, sprach Monsieur Bontempi kein Wort mehr. Oksa empfand tiefes Mitleid mit ihm. Bestimmt machte er sich große Sorgen um Madame Crèvecœur, und sie selbst wusste nur zu gut, wie begründet diese Sorgen waren.
    Nervös schob sie die Hände in die Jackentaschen ihrer Schuluniform und stieß mit den Fingerspitzen an einen Gegenstand. Als sie ihn herauszog, erkannte sie den Talisman, den ihr Dragomira am ersten Schultag geschenkt hatte. »Wenn du merkst, dass du unruhig wirst, nimm die Börse in die Hand und streiche sanft darüber. Dann wird der Himmel sich aufhellen und der Weg dir sicherer erscheinen«, hatte sie ihr damals gesagt.
    Der Gedanke daran flößte Oksa neuen Mut und Kraft ein. Ihre Familie war bei ihr, immer und zu jeder Zeit. Und dann gab es auch noch Gus. Sie war niemals allein.
    Im Büro des Rektors erwarteten sie zwei Polizisten. Doch Oksa war vorbereitet und fühlte sich weniger eingeschüchtert, als sie befürchtet hatte. Vielleicht gelang es ihr ja doch zu lügen, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
    »Guten Tag«, sagte sie, sobald sie über die Türschwelle getreten war.
    »Guten Tag. Du bist Oksa Pollock, richtig?«
    »Ja.«
    »Setz dich doch. Du brauchst keine Angst zu haben, wir wollen dir nur ein paar Fragen stellen. Du bist also gestern Abend noch dageblieben, um deinem Lehrer, Mr McGraw, beim Aufräumen des Chemiesaals zu helfen?«
    »Ja.«
    Bis hierher lief alles gut.
    »Um wie viel Uhr wart ihr denn damit fertig? Weißt du das noch?«
    Ab jetzt musste sie aufpassen.
    »Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber lange hat es nicht gedauert. Zehn Minuten oder eine Viertelstunde vielleicht. Es gab nicht viel aufzuräumen, weil Mr McGraw … Also, was ich sagen wollte, ist, dass wir bei Mr McGraw einen Test geschrieben haben.«
    »Und dann? Was ist danach passiert?«
    »Danach? Äh, wir sind hinuntergegangen, er hat mir die Eingangstür aufgeschlossen und wir haben uns verabschiedet.«
    »Ist dir irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    Oksa drückte ganz fest ihren Talisman. Sie hatte das Gefühl, von Kopf bis Fuß knallrot geworden zu sein. Gott sei Dank hatte sie keine Kratzer mehr im Gesicht. Sie würde bestimmt nie wieder schlecht über Spinnen reden!
    »Nein. Außer, dass Mr McGraw mich mit meinem Vornamen angeredet hat, was er sonst nie macht«, sagte sie zur Auflockerung.
    Die Polizisten lächelten.
    »Hast du Madame Crèvecœur gesehen, bevor du das Schulgebäude verlassen hast, Oksa?«
    »Madame Crèvecœur? Nein«, erwiderte sie, mit bleischwerem Herzen angesichts dieser Lüge. »Ich habe niemanden gesehen.«
    Die Polizisten erhoben sich. Offenbar war die Befragung vorbei. Uff!
    »Das war’s schon, vielen Dank, Oksa. Aber bevor wir dich zu deinen Klassenkameraden zurückgehen lassen, noch eine letzte Frage …«
    Oksa war es, als ob ihr das Blut in den Adern gefror. In ihrem Gehirn tobte auf einmal das reinste Gewitter. Sie rieb ihren Talisman noch fester und kämpfte tapfer gegen die aufkommende Panik an, die ihre ganze bisherige Darbietung zunichtezumachen drohte.
    »Eine letzte Frage?«, wiederholte sie und war selbst erstaunt, wie fest ihre Stimme klang.
    Durch das Fenster hinter den Polizisten sah sie, wie die Wolken am Himmel sich verdunkelten. Bald würden sie pechschwarz sein. Oh nein!, sagte sie sich. Jetzt bloß kein Gewitter!
    »Wir würden gern wissen, ob du mit dem Dirigenten Leomido Fortensky verwandt bist«, fragte einer der Polizisten und fasste sie scharf ins Auge.

Ein Kummerknäuel
    D
ie Junge Huldvolle hat das Gesicht voll der Erschöpfung«, stellte der Plemplem fest und sah Oksa mit seinen großen runden Augen an. »Das Getränk, das ich zum Vorschlag bringe, wird die Kraft in den Adern verteilen, das Vertrauen darauf ist geschenkt.«
    »Danke, Plemplem. Es stimmt, ich bin ziemlich fertig«, gestand Oksa und nahm die Tasse

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