Oktoberfest
drei Stunden?«, fragte sie nach.
»Ja, und ich bräuchte in meinem Zimmer einen Internetanschluss.« Der Mann in den unförmigen Klamotten sprach ein langsames Russisch mit einem undefinierbaren Akzent.
»Wir müssen Ihnen dann aber den Preis für eine ganze Nacht berechnen. Wir sind schließlich kein Stundenhotel.«
»Das verstehe ich. Kann ich gleich bezahlen?«
»Aber gerne!« Die Rezeptionistin lächelte. »Wie möchten Sie bezahlen?«
»Bar«, lautete die knappe Antwort. »In Schweizer Franken.«
Das Lächeln der Rezeptionistin wurde breiter. »In Ordnung.« Sie sah den Mann an, als sie in verschwörerischem Ton weitersprach: »Möchten Sie sich entspannen? Darf ich Ihnen Gesellschaft auf das Zimmer schicken?«
Für einen kurzen Moment zeigte die Miene des Mannes Unverständnis. Dann spiegelten seine Züge plötzliches Begreifen.
»Um Himmels willen, nein«, sagte er erschrocken. Ein schelmisches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Ich dachte, das hier wäre kein Stundenhotel«, schickte er mit frechem Ton hinterher, als er die Zimmerschlüssel in der Tasche seines Jacketts verschwinden ließ.
Komischer Kauz, dachte die Rezeptionistin.
Aber nicht unsympathisch.
12:30 Uhr
Stefan Meier freute sich. Der Mann hatte geantwortet. Was ist das Internet doch für eine dolle Sache, dachte er. Es war bereits zwei Uhr morgens gewesen, als er das Bild endlich gefunden hatte. Auf der Homepage eines Japaners, der in Hiroshima wohnte und momentan Urlaub in Europa machte.
Haruki Sato – so hieß der Inhaber der Homepage – hatte am Sonntagabend genau um sechs Uhr seine Ehefrau vor dem Benediktiner-Zelt fotografiert.
Vor ihrer Brust hing ein großes Lebkuchenherz mit der Aufschrift »Für immer dein«. Ein kleines Kind auf dem Arm, lächelte die Japanerin in die Kamera.
Ein sehr freundliches Lächeln, wie Meierinho fand.
Das Kind im Arm der Frau sah auch in die Kamera. Allerdings war von dem Kind außer Haaren, Stirn und Augen nicht viel zu sehen. Der Rest des Kindes wurde von einer gigantischen Portion rosafarbener Zuckerwatte verdeckt.
Rechts neben der Frau sah man im Hintergrund den Haupteingang des Benediktiner-Zeltes. Und wiederum rechts neben dem Eingang konnte man einen Polizisten erkennen, der gerade mit einer Bedienung sprach. Leider war das Bild im Internet so stark komprimiert, das man das Gesicht des Polizisten nicht vergrößern konnte. Zu geringe Auflösung.
Er setzte daraufhin einen kurzen Text auf und klingelte einen befreundeten Kollegen aus dem Bett. Einen Japaner, einen sehr klugen Kopf aus der Abteilung für Sprachverständlichkeit.
Er erklärte ihm sein Anliegen in groben Umrissen und betonte immer wieder, dass es sehr wichtig sei. Nach einer halben Stunde bekam er eine E-Mail mit einer Übersetzung seines Textes ins Japanische. Diese Übersetzung kopierte er in eine E-Mail an Herrn Sato.
Und soeben hatte er von Haruki Sato eine Antwort bekommen. Was Herr Sato geschrieben hatte, konnte er nicht lesen. Das war aber im Moment auch nicht so wichtig. Viel wichtiger waren die Anhänge, die Herr Sato mitgeschickt hatte. Drei Bilder in hoher Auflösung.
Auf der Ausschnittsvergrößerung konnte man das Gesicht des Polizisten recht gut erkennen. Es war zwar zunächst etwas unscharf, weil sich der Polizist im Hintergrund des Bildes befand, aber das hatte er mit seinem Bildbearbeitungsprogramm hinbekommen. Dann schnitt er das Gesicht, das jetzt gut zu erkennen war, aus dem Foto heraus. So verschwanden Hintergrund und Polizeiuniform.
Ein durchschnittliches Gesicht, wie Meierinho fand.
Die Fotodatei hatte er per E-Mail an Herrn Müller geschickt. Der hatte äußerst knapp geantwortet. Fünf Wörter und ein Buchstabe: Danke. Sehr hilfreich. Gute Arbeit. M.
Sein Rechner gab ein leises Ping von sich. Eine weitere Simulation war durchgerechnet. Er lehnte sich nach vorne und verglich die Ergebnisse mit älteren Aufzeichnungen. Er nahm einige Einstellungen an der Software vor und startete einen weiteren Rechenvorgang. Der neue Algorithmus, der ihm als Ergebnis der Simulation zur Verfügung stand, begann mit der Bearbeitung des Datensalates, den die Täter produzierten. Hoffentlich würde sie das weiterbringen.
Verbleibende Rechenzeit für diesen Prozess: circa einhundertsechsundneunzig Minuten.
Stefan Meier seufzte zufrieden.
Es war Essenszeit.
Und danach konnte er sich ein bisschen ausruhen.
*
Wolfgang Härter lag auf dem Bett in seinem Hotelzimmer. Er hatte wieder nur drei Stunden
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