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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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fuhr ihm kalt durch die Glieder.
    Ihm wurde klar, unter welcher Anspannung die Polizisten standen. Die Beamten waren unglaublich nervös und verbargen dies nur mit Mühe.
    Zum Glück reagierten die Sanitäter und Ärzte im Zelt sehr gut. Sofort schwärmten sie aus. Zunächst mit beruhigenden Worten. Später mit beruhigenden Medikamenten.
    Schließlich kam die Durchsage eines hohen Polizeibeamten, dass es sich nur um ein Gewitter handelte. Aber dadurch, dass er sich so sehr erschrocken hatte, war er ins Grübeln geraten.
    Was war hier eigentlich los?
    Wieso dauerte das so lange?
    Er hatte hin und her überlegt, aber keine plausible Erklärung dafür gefunden.
    Erst vor einer halben Stunde hatte der Regen endlich aufgehört. Das Prasseln und Donnern während der Nacht hatte selbst den Gleichmut von Werner Vogel erschüttert.
    Er hatte kaum geschlafen und fühlte sich erbärmlich.
    Übernächtigt, nervös und verspannt.
    Er beschloss, einen Spaziergang durch das Zelt zu machen. Das war erlaubt.
    Man musste sich schließlich die Beine vertreten können. Während er durch die Gänge lief, sah er in vielen Gesichtern die Anspannung. Die Luft schien aufgeladen mit Angst und Ungewissheit.
    Er sehnte sich sehr nach Amelie. Er wollte hier raus. Aber natürlich hatten die Beamten und Ärzte recht: Ruhe bewahren, dann würde niemandem etwas passieren.
    Während seiner zweiten Runde bemerkte er, dass seine Nervosität langsam nachließ. Er war todmüde. Er würde fragen, ob er sich auf einem der Betten hinlegen dürfte. Sich mal ausstrecken. Das würde jetzt guttun.
    Wie es Amelie wohl ging?
    Wenn da draußen tatsächlich irgendetwas Schlimmes geschah, und das nahm er mittlerweile an, dann hatte sie sicher viel zu tun. Ob sie an ihn dachte?
    Bestimmt.
    Er fragte einen der Polizisten nach einem freien Bett. Der Beamte nickte und sagte, dass er die nächsten sechs Stunden schlafen könne, wenn er wolle. Das waren gute Nachrichten.
    Werner Vogel kehrte zunächst an seinen Platz zurück, holte seine Jacke und verabschiedete sich von Matthias. Der hatte die Nacht über wieder in einem der Betten geschlafen. Und zwar gut geschlafen. Das lag daran, dass Matthias etwas mit sich führte, das in dieser Situation Gold wert war: Ohrenstöpsel.
    Mit einem Lächeln überließ ihm Matthias das Schächtelchen und wünschte ihm angenehme Träume. Was für eine verrückte Situation. Werner Vogel schüttelte den Kopf. Er würde sich jetzt schlafen legen. Am Morgen.
    Am helllichten Tag.
    *
    Der Polizeipräsident legte auf und sah über den Tisch im Krisenzentrum zu Dr. Roland Frühe, der telefonierte. Er wartete, bis der Staatssekretär sein Gespräch beendet hatte, dann stand er auf und ging zu dem freien Stuhl neben dem von Dr. Frühe.
    Der Polizeipräsident setzte sich und sah sein Gegenüber ernst an. Die Sorgen und Strapazen der letzten vierzig Stunden hatten bei ihm deutliche Spuren hinterlassen. Die Trauer um die toten Kollegen – insbesondere um Thomas Aschner – hatte sich tief in sein Gesicht eingegraben. Mit fester Stimme begann er zu sprechen.
    »Herr Dr. Frühe, auf ein Wort. Ich möchte Sie zuerst informieren. Aber das, was ich Ihnen jetzt sage, werde ich so auch dem Oberbürgermeister, dem Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler übermitteln. Ich halte das für meine Pflicht. Die Sache ist nämlich die: Wir haben inzwischen ein ernstes Problem, sowohl mit der Moral der Kollegen als auch mit der Stabilität der öffentlichen Ordnung im Stadtgebiet. Die Stimmung in der Stadt ist gefährlich aufgeladen. Die Situation ist instabil und kann jederzeit eskalieren.«
    »Wie meinen Sie das? Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, dann sind mittlerweile über viertausend zusätzliche Polizisten in der Stadt im Einsatz.«
    »Die Zahlen stimmen, Herr Staatssekretär. Aber wir haben zwei Faktoren unterschätzt.«
    Der Polizeipräsident wollte weitersprechen, aber Dr. Frühe unterbrach ihn.
    »Und welche zwei Faktoren haben wir Ihrer Meinung nach unterschätzt?« Seine Stimme klang abfällig, fast spöttisch. Doch der Polizeipräsident ließ sich nicht beirren.
    »Erstens haben wir die psychische Belastung unterschätzt, der die Polizisten ausgesetzt sind. Und ich meine nicht nur die Polizisten, die in den Zelten Dienst tun, sondern auch diejenigen, die im Stadtgebiet Streife fahren.
    In den Zelten ist die Situation allerdings am schlimmsten. Die Beamten, die sich vor Ort um die Geiseln kümmern, wissen ja über die Sachlage Bescheid. Sie

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