Oktoberfest
ähnliche Perfektion wie in deinem Beruf. Nasdrowje!«
Viktor Slacek nickte lächelnd. »Ja, das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.«
Sie stießen an.
Sein Gegenüber machte sich erneut über das Essen her. Slacek sah ihm wohlwollend dabei zu. Diesem Mann verdankte er so vieles. Er war mehr als ein Freund. Er war sein Lehrer gewesen, sein Mentor. Und, wenn nötig, auch sein Vater.
Slacek stammte ursprünglich aus der Tschechoslowakei. Angesichts seiner besonderen Leistungen beim Militär war er als junger Mann zu den Eliteverbänden des sowjetischen Brudervolkes geschickt worden. In die Schule für Feldoperateure der Speznas-Truppen nach Kaliningrad.
Seine besondere Leistungsfähigkeit lag vor allem darin begründet, dass Slacek seinem Wesen nach ein vollkommen mitleidsloser Mensch war. Gefühlsregungen in diese Richtung waren ihm völlig unbekannt. Er war im Gefecht zwar manches Mal wütend geworden, wenn ein Kamerad verwundet wurde, den er gut gekannt hatte. Aber das war nur kalte Wut auf den Feind und keinesfalls Mitleid mit dem Kameraden. Ideale Voraussetzungen für einen Operateur, der gezwungen sein konnte, ganze Familien auszulöschen. Auch Frauen und Kinder.
Er hatte damals seine Chance ergriffen und war ein sehr gelehriger Schüler gewesen. Er bewährte sich im Feld. Doch als der Ostblock und mit ihm das Militärbündnis des Warschauer Paktes zusammenbrach, war alles anders geworden.
Die Sache, für die zu kämpfen sie geschworen hatten, existierte nicht mehr. Die Tschechoslowakei zerfiel. Mit der tschechischen Republik hatte er nichts am Hut. Das war nicht mehr seine Sache.
Er suchte nach einer neuen Orientierung. Da kam ihm die freie Marktwirtschaft gerade recht. Denn sie hatte eine wundervolle Eigenschaft: Der Kapitalismus bot die Möglichkeit, sich hemmungslos zu bereichern. Wenn man die nötigen Qualifikationen hatte.
Und Viktor Slacek war ein hochqualifizierter Mann.
Schnell wurde ihm klar, dass seine besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Westen sehr gefragt waren. Er schied aus der Armee aus und machte sich selbständig. Zunächst arbeitete er von Prag aus. Bald jedoch war er nach Zürich umgezogen und hatte dabei die Spuren seiner wirklichen Identität vollständig verwischt.
Nur die Verbindung zu seinem Kommandeur in Kaliningrad erhielt er aufrecht. Daran war ihm aus mehreren Gründen gelegen. Zum einen war da eine gewisse soldatische Sentimentalität. Damals hatte er noch an etwas anderes geglaubt als an Geld. Zum anderen waren die Verbindungen nach Kaliningrad bei der Beschaffung seiner Arbeitswerkzeuge sehr hilfreich.
Sein früherer Ausbilder hatte ihn niemals hängenlassen.
Deshalb war er froh, jetzt seine Dankbarkeit zeigen zu können. Wenn er seinem alten Freund bei einem Problem helfen konnte, dann würde er das gerne tun. Das war für Viktor Slacek Ehrensache.
Sie hatten noch nicht darüber gesprochen, um welches Ziel es sich handelte. Dafür wäre später noch Zeit. Aber eines stand für Viktor Slacek felsenfest: Wer auch immer, wo auch immer und wann auch immer – die Zielperson war bereits jetzt eine wandelnde Leiche.
Totes Fleisch.
*
Am nächsten Morgen lag München nach wie vor unter einer geschlossenen Wolkendecke. Als im Osten das erste fahle Licht über den bleigrauen Horizont kroch, fiel Brigadegeneral Xaver Moisadl ein Stein vom Herzen.
Die Maßnahmen, die er ergriffen hatte, zeitigten die gewünschte Wirkung. Einerseits war da die hohe Zahl an Patrouillen, die im ganzen Stadtgebiet unterwegs waren. Andererseits hatten auch die befestigten Kontrollposten, die neuralgische Punkte sicherten, ihre Aufgaben erfüllt.
Die Riegelstellung der Panzergrenadiere rund um die Theresienwiese hatte für zusätzliche Beruhigung gesorgt.
Nur bei einem Einkaufszentrum im Stadtteil Perlach hatten sich gegen Mitternacht einige hundert überwiegend junge Menschen zusammengefunden. Die Filiale eines großen Fachmarktes für Unterhaltungselektronik übte wohl eine starke Anziehung aus.
Schnell war es ihm gelungen, dort zwei Kompanien zusammenzuziehen. Und tatsächlich hatte allein die Präsenz der Soldaten ausgereicht, um die Menge wieder zu zerstreuen.
Bis jetzt benötigte er die Turnhallen, die er für eventuelle Ingewahrsamnahmen requiriert hatte, nicht.
Doch nicht nur ihm ging es jetzt, da der Morgen anbrach, besser. Auch in seinem Stab machte sich Erleichterung breit. Er sah sich in seiner Operationszentrale um. In den Gesichtern der Soldaten, die kaum
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