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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Hirschmoser in Rage geriet, war er Gold wert.
    *
    Polizeihauptmeister Martin Ulgenhoff brachte seine H&K P7 in Vorhalte und zielte auf die Brust des stämmigen Kerls, der noch immer die Menge anführte.
    »Stehen bleiben!«, schrie Ulgenhoff. »Stehen bleiben, oder ich schieße!«
    Er hob die Waffe zum Dach des Zeltes und gab einen Warnschuss ab.
    »Schleich dich!«, rief der Oberbayer ihm entgegen. »Du Würschterl schießt doch nicht auf mich!« Der Mann lachte höhnisch. Er drehte sich halb um und winkte den Leuten hinter ihm zu. »Auf geht’s! Raus gemma!«
    Ulgenhoff senkte seine Dienstpistole und zielte auf den linken Oberschenkel des Mannes.
    »Zum letzten Mal, bleiben Sie stehen, oder ich schieße!«
    Erneut lachte der Mann höhnisch.
    Ulgenhoff war vollkommen verzweifelt. Ich kann doch nicht auf unschuldige Menschen schießen. Vater unser, der du bist im Himmel. Ich werde schießen müssen. Geheiligt werde dein Name. Auf Menschen, die zu schützen meine Aufgabe ist. Dein Reich komme, dein Wille geschehe. Wenn sie noch zwei Schritte näher kommen, werde ich schießen müssen. Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Wenn ich ihnen doch nur erklären könnte, dass es um Zehntausende Menschenleben geht. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
    Dann drückte Ulgenhoff ab.
    Die Kugel durchschlug den Oberschenkel des Oberbayern, streifte einen zweiten Mann, der sich hinter ihm befand, auf Höhe des Knies und blieb schließlich in der Wade einer Frau stecken.
    Drei Menschen brachen schreiend zusammen. Die Menge blieb stehen.
    »Bitte, gehen Sie bitte auf Ihre Plätze zurück, damit die Ärzte durchkommen können, bitte!« Seine Stimme war bemerkenswert ruhig, obwohl sein Inneres in großem Aufruhr war. Noch nie hatte er bei einem Einsatz seine Dienstwaffe gezielt abgefeuert.
    Die Menschen gehorchten. Wie ferngesteuerte Maschinen, manche mit schreckgeweiteten Augen, bewegten sich die Geiseln zu ihren Plätzen zurück. Ungläubiges Gemurmel wurde hörbar.
    Die Polizei hatte auf einen von ihnen geschossen. Drei von ihnen waren verwundet. Das war doch gar nicht vorstellbar. Was hatten sie getan, dass man sie behandelte wie gefährliche Verbrecher?
    Ulgenhoff suchte in den Gesichtern der Menschen nach Verständnis und Vergebung. Die Mienen spiegelten jedoch nur Angst, Fassungslosigkeit und Wut wider.
    Keine Vergebung, nirgends.
    Die Verstärkung traf ein. Einer der Beamten klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Sie hatten keine andere Wahl, Kollege.« Die Ärzte machten sich an die Versorgung der Wunden. Einer wandte sich kurz zu Ulgenhoff um. »Nichts Schlimmes«, sagte der Mediziner. »Glatte Durchschüsse. Bis auf die Frau. Aber auch bei der sitzt die Kugel nur oberflächlich. Nichts Dramatisches passiert.«
    Die Worte erreichten Ulgenhoffs Ohren, aber nicht seinen Verstand. Die Stimme des Arztes schien von weit her zu kommen. Wie in Trance steckte er seine Waffe zurück in das Holster. Ihm war, als wäre etwas in ihm zerbrochen. Irreparabel zerstört. Ihm wurde klar, dass er etwas sehr Wertvolles verloren hatte. Unwiederbringlich.
    Als er sprach, klang seine Stimme mechanisch. Ohne Melodie. »Ich gehe zur Wiesn-Wache. Ich muss einen Bericht schreiben.«
    *
    Amelie Karman hatte recht behalten. Seit zehn Minuten versuchte Sepp Hirschmoser, ins Rathaus eingelassen zu werden, aber die Posten verstellten ihm den Weg. Inzwischen war Hirschmoser tatsächlich in Rage.
    »Ich muss mit dem General reden! Ich bin der Sprecher der Wiesn-Wirte! Ich bezahl den Kerl schließlich mit meinen Steuern.«
    Hirschmosers Stimme überschlug sich fast, und die anwesenden Journalisten hielten begierig ihre Mikrofone in Richtung des aufgebrachten Mannes.
    »Ich bin ein angesehener Bürger dieser Stadt und außerdem der Freund des Ministerpräsidenten. Ich habe gewisse Rechte!«, ereiferte der sich gerade.
    Da erschien General Moisadl mit drei weiteren Soldaten.
    »Was geht hier vor?«
    Amelie fand, dass die Stimme des Generals bedrohlich ruhig klang.
    Hirschmoser fuhr herum und blaffte los. Kleine Spuckkügelchen begleiteten die Worte, die seinen Mund verließen. »Wann jagen Sie die Saukerle endlich von der Wiesn? Warum tun Sie nichts? Soll ich meinen Leuten sagen, dass sie das selber machen müssen?«, fuhr Hirschmoser den General an. Er holte tief Luft. »Ich verlier Geld. Einen Haufen Geld! Ich bin …«
    »Ich weiß, wer Sie sind«, schnitt ihm Moisadl das Wort ab. »Von

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