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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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zwecklos.
    Die Menschen saßen auf den Bierbänken wie Hühner in einer Legebatterie. Es war nur gedämpftes Sprechen hörbar. In der Luft lagen – schwach, aber wahrnehmbar – Schweiß und Stress.
    Der Geruch der Angst.
    Sie sah zu den Balkonen hoch. An der Rückseite des Zeltes konnte Amelie die beiden mächtigen Abschusslafetten und die Raketen darauf erkennen. Sie registrierte, dass viele dieser schwarz gekleideten Männer im Zelt unterwegs waren. Während die einen die Menschen mit Waffen in Schach hielten, trugen die anderen irgendwelche Gegenstände, die sie nicht erkennen konnte, herum. Kisten. Koffer. Stangen. Einer der Männer hatte ein Maschinengewehr geschultert. Ihre Knie wurden weich.
    Hilfesuchend sah sie den Bundespräsidenten an. Seine Züge spiegelten Konzentration. Als sie mit ihren Augen seinem Blick folgte, sah sie, dass drei Männer auf sie zukamen. Der mittlere, der den rechten Arm in einer Schlinge trug, blieb vor dem Staatsoberhaupt stehen und salutierte mit links. »Herr Bundespräsident, Sie sind hiermit mein Gefangener. Ich betrachte Sie als Kriegsgefangenen gemäß der Genfer Konvention. Ihnen wird nichts geschehen, solange Sie nicht versuchen zu fliehen.« Der Wortführer wandte sich an Amelie. »Das gilt auch für Sie, Frau Karman.«
    Als die Augen des Mannes sie ansahen, kroch Angst ihren Nacken hoch. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Oder doch? Sie glaubte plötzlich, die Form dieser Augen irgendwoher zu kennen. Aber woher? Und die Farbe dieser Augen … Nein, unmöglich. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen.
    Heller Fels.
    »Meine Männer werden Sie jetzt durchsuchen. Das ist leider unumgänglich, denn wir müssen auch an unsere eigene Sicherheit denken.« Die Stimme irritierte Amelie. Sie klang wie die Stimme eines kultivierten Deutschen.
    Höflich. Beherrscht. Akzentfrei.
    »Die Genfer Konvention?«, fragte der Bundespräsident mit kaum verborgenem Sarkasmus. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich mit solchen Lappalien abgeben. Ihr bisheriges Verhalten spricht nicht dafür, dass Sie dieser Konvention eine hohe Verbindlichkeit zugestehen. Ich meine, bezüglich Ihres brutalen Vorgehens gegenüber Nicht-Kombattanten.« Das Staatsoberhaupt schnaubte.
    »Wenn Sie Kombattanten in der Nähe von Zivilisten aktiv werden lassen und mich somit zwingen, militärisch zu reagieren, dann trage ich nicht die Verantwortung für die Folgen. Sie bringen wohl die Genfer Konvention und die Haager Landkriegsordnung durcheinander. Persönlich bedauere ich die Eskalation.«
    Der Bundespräsident hob eine Augenbraue. »Sie verlangen im Ernst, dass ich Ihnen das glaube?«
    Sein Gegenüber antwortete nicht.
    »Wenn Sie so ein Ehrenmann sind, dann müssen Sie jetzt die Geiseln eines anderen Zeltes freilassen. Wie steht es damit? Halten Sie Ihr Wort?«
    »Sie schätzen mich falsch ein. Selbstverständlich halte ich mein Wort. Ich habe den Behörden bereits mitgeteilt, dass die Menschen das Bärenbräu-Zelt verlassen können. Ich werde nichts tun, um das zu verhindern. Diese Menschen sind frei.«
    Amelie dachte an ihren Geliebten. Werner käme endlich frei. Dafür saß sie hier fest. Sehnsucht und Ärger über sich selbst stiegen in ihr auf. Sie könnten wieder zusammen sein. Welcher Teufel hatte sie geritten, sich auf diesen Wahnsinn einzulassen? Wenn sie wenigstens wüsste, ob es Werner gutging.
    »Können Sie das beweisen?«, fragte das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik misstrauisch.
    »Sie können sich die Berichte im Fernsehen ansehen, wenn Sie mir nicht glauben«, sagte der Mann. Dann wandte sich der Anführer zu den beiden Männern um, die ihn eskortiert hatten.
    »Durchsuchen!«, befahl er mit schroffer Stimme.
    Einer der beiden Begleiter ging zum Bundespräsidenten, der andere kam auf Amelie zu. Wortlos streckte er eine Hand aus, mit der anderen zeigte er auf ihre Handtasche.
    Sie sah dem Mann in das maskierte Gesicht.
    Die Augen seines Anführers waren schon furchteinflößend, doch der Anblick dieser Augen fuhr ihr durch die Glieder wie ein Stromschlag.
    Der Mann musterte sie ebenfalls. In seinen Augen lag ein seltsames Flackern.
    »Hallo, Amelie. Schön, dass wir uns endlich kennenlernen.«
    *
    »Wir müssen Sie bitten, beim Verlassen des Zeltes absolute Ruhe zu bewahren. Das ist unbedingt notwendig. Noch einmal, bitte verhalten Sie sich ruhig. Wenn Sie das Zelt verlassen haben, gehen Sie nach links, die Wirtsbudenstraße entlang. Begeben Sie sich zum Haupteingang. Dort werden

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