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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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allen seinen Männern verband.
    »An alle«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Sobald die beiden Geiseln das Zelt verlassen haben, beginnt Phase zwei. Ich wiederhole: Phase zwei läuft an, sobald die Geiseln aus dem Zelt gebracht worden sind.«

15
    A melie Karman passierte eine Straßensperre der Panzergrenadiere. Dann meldete sie sich in der Wiesn-Wache.
    Zwanzig Minuten später traf das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik ein. Weder Personenschützer noch Mitarbeiter begleiteten ihn. Er begrüßte zunächst die Polizisten und dankte ihnen für ihren Einsatz. Dann wurde Amelie dem Bundespräsidenten vorgestellt.
    Als der Mann ihr die Hand gab und sie fragte, ob sie sich diesen Schritt auch gut überlegt habe, konnte Amelie vor Ehrfurcht kaum antworten. Zu beeindruckend war die Erscheinung des ersten Mannes im Staate. Der Bundespräsident wirkte in natura noch weit charismatischer als im Fernsehen. Er hatte volles, silbergraues Haar und aristokratische Züge. Seine wachen Augen ließen auf einen scharfen Verstand schließen. Der hochgewachsene Mann trug einen dunkelblauen Anzug aus feinstem englischen Tuch, einen hellblauen Wollschlips, ein weißes Hemd und einen schwarzen Wollmantel.
    Im Knopfloch seines linken Revers steckte das Ordensband des höchsten Ordens der Bundesrepublik Deutschland.
    Ansonsten hatte er auf Insignien seines Amtes verzichtet.
    Erst nach zweimaligem trockenen Schlucken gelang es ihr, mit fester Stimme zu antworten. Ja, sie habe sich die Sache überlegt. Ein guter Journalist müsse auch bereit sein, Risiken einzugehen.
    Vor zehn Minuten war bekannt geworden, dass die Täter zwei verwundete Geiseln freigelassen hatten. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um ein amerikanisches Ehepaar handelte. Der Mann war übel zugerichtet und nicht ganz bei sich. Die beiden waren umgehend ins Universitätskrankenhaus in der Nussbaumstraße gebracht worden.
    »Sehen Sie«, sagte das Staatsoberhaupt noch zu Alois Kroneder, »wenn man guten Willen zeigt, dann hat das immer eine positive Wirkung. Ich sehe darin ein klares Zeichen für die Entspannung der Situation. Wir werden diese Sache hier ohne weitere Opfer beenden.«
    Die Miene des hohen Polizeibeamten ließ Skepsis erkennen. »Das wollen wir stark hoffen, Herr Bundespräsident«, erwiderte Kroneder und wünschte ihnen beiden Glück.
    Der Bundespräsident wandte sich an Amelie. »Kommen Sie, Frau Karman, lassen Sie uns gehen!«
    Und dann brachen sie auf: vor den Augen der ganzen Fernseh-Menschheit. Der Stadtkommandant, Brigadegeneral Xaver Moisadl, hatte tatsächlich eine Drehgenehmigung erteilt. Die heroische Geste des Staatsoberhauptes sollte für alle Welt zu sehen sein.
    Und so verfolgten Milliarden von Augen jede ihrer Bewegungen. Ein feiner Sprühregen lag in der Luft, während Amelie neben dem Bundespräsidenten die Wirtsbudenstraße in Richtung des Benediktiner-Zeltes ging. Kleinste Tröpfchen wurden von kalten Windböen durch die Luft getrieben. Die Wasserschleier wirkten wie Schlieren in altem Glas.
    Amelie fröstelte und zog ihren Mantel enger um die Schultern.
    Als sie das Benediktiner-Zelt erreichten, wurde eine der Türen aufgestoßen. Die Mündungen zweier Maschinenpistolen blickten ihnen kalt entgegen. Die Männer, die ihre Waffen auf sie richteten, blieben unsichtbar. Der Eingangsbereich zwischen den inneren und äußeren Türen des Zeltes lag im Dunkeln.
    »Im Gegensatz zu mir können Sie immer noch umkehren, wenn Sie wollen«, sagte der Bundespräsident zu ihr. Er sah sie prüfend an. Sie waren keine zehn Meter mehr von den Türen entfernt. Für eine Sekunde wollte Amelie dem stärker werdenden Fluchtimpuls folgen. Doch sie hielt mit dem Staatsoberhaupt Schritt und schüttelte nur den Kopf.
    Gemeinsam traten sie durch die äußere Tür, die direkt hinter ihnen ins Schloss fiel. Im Eingangsbereich des Zeltes mussten sich ihre Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen. Sie hörte einen unverständlichen Ruf. Die inneren Türen öffneten sich, und sie wurden unsanft in den Innenraum des Zeltes gestoßen.
    Hier herrschten normale Lichtverhältnisse. Amelie sah sich um. Hinter ihnen standen zwei Männer in schwarzen Kampfoveralls und kugelsicheren Westen. Die Gesichter der Männer wurden durch Sturmhauben verdeckt. Beide trugen einen Helm. Die kurzen Läufe der Maschinenpistolen zielten auf sie und den Bundespräsidenten. Amelie musste an die Borg aus der Fernsehserie Raumschiff Enterprise denken. Wir sind die Borg. Widerstand ist

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