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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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dieses Mal. Sie saßen an einem kleinen Tisch des Restaurants »Ztaryj Kaunas« und redeten über vollkommen unverdächtige Themen.
    Nur kurz hatten sie über die Vorgänge in München gesprochen.
    »Man weiß gar nicht, was da eigentlich los ist«, sagte Dr. Röhli. »Mir kann es ja im Grunde auch egal sein. Ich bin schließlich Historiker. Das bedeutet, dass mich diese Sache erst interessiert, wenn sie vorbei ist und ich an die Unterlagen herankomme.«
    »Die Tatsache, dass die Deutschen ihre Armee mobilisiert haben, zeigt, dass es sich um eine ernste Krise handeln muss. Der Bundespräsident hat sich als Geisel austauschen lassen. Aber man erfährt ja nichts Genaues. Die Deutschen haben eine Nachrichtensperre verhängt.«
    Urs Röhli nickte. »Es hat ja wohl über zweitausend Tote gegeben. Schrecklich!«
    »Ja, wirklich schrecklich«, stimmte Oberst Klarow ihm zu.
    Damit war das Thema erledigt, und er erzählte, dass sein Sohn einem Fußballverein beigetreten sei und sich zu einem guten Spieler entwickele.
    Die Küche des Lokals bot vor allem litauische Spezialitäten an. Wolfgang Härter hatte sich schon den ganzen Tag darauf gefreut, Cepelnai essen zu können. Klarow beobachtete, wie Urs Röhli die großen, mit Fleisch gefüllten Kartoffelknödel, zu denen saure Sahne serviert wurde, mit sichtlichem Vergnügen verspeiste.
    Ihr Gespräch war bei der Fußball-Weltmeisterschaft angelangt, die in zwei Jahren in Deutschland stattfinden sollte. Sie kamen übereinstimmend zu der Meinung, dass sich die Mannschaft der Schweiz bestimmt qualifizieren würde. »Hopp, Schwyz!«, rief Wassilij Klarow ausgelassen quer durch das Lokal und erntete verwunderte Blicke.
    Dann stellten sie fest, dass sie ebenso übereinstimmend der Meinung waren, dass die spielerischen Qualitäten des deutschen Mannschaftskapitäns überschätzt würden.
    Während dieser Unterhaltung zog Dr. Röhli ein Foto aus der Tasche seines Jacketts.
    Auf dem Foto war das freigestellte Gesicht eines Mannes zu sehen.
    Kein Hintergrund.
    Nur das Gesicht.
    »Kennen Sie diesen Mann zufällig?«, fragte er in beiläufigem Ton.
    Klarow sah nur kurz auf das Foto und schüttelte dann den Kopf. »Nein, nie gesehen. Wieso? Wer ist das? Ein Fußballspieler?«, entgegnete er ebenso beiläufig. Das Foto verschwand wieder in der Tasche des Sakkos.
    Dr. Röhli winkte ab. »Nein, kein Fußballspieler. Habe nur interessehalber gefragt. Hätte ja sein können, dass Sie den Mann kennen.« Er machte sich wieder über sein Essen her.
    Sie wechselten das Thema und kamen auf den Krieg im Irak zu sprechen.
    »Eine sehr unglückliche Entwicklung für die Amerikaner«, sagte Klarow.
    »Meiner Meinung nach haben sie den entscheidenden Fehler in den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Einnahme von Bagdad gemacht«, entgegnete Urs Röhli nickend. »Sie haben nur das Ölministerium bewacht. Ansonsten haben die Amerikaner dabei zugesehen, wie der Mob in der ersten Nacht die gesamte öffentliche Infrastruktur geplündert hat, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Museen. Dabei hätte eine schwere Infanteriebrigade vermutlich vollkommen ausgereicht, um den Pöbel im Zaum zu halten. Und die Amerikaner hätten ausreichend Truppen vor Ort gehabt. Ein verheerendes Signal an die Bevölkerung. Das haben die Menschen sich gemerkt. Und so ein Fehler ist im Krieg nicht mehr wiedergutzumachen.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich meine, die Amerikaner waren militärisch haushoch überlegen. Natürlich haben sie den Krieg gegen die irakische Armee gewonnen, aber …«
    »… den Frieden mit dem irakischen Volk haben sie verloren«, vervollständigte Urs Röhli den Satz.
    Ein scharfsinniger Mann, dachte Oberst Klarow im Stillen und entschied sich zu einem sehr unkonventionellen Schritt.
    Als sie sich eine halbe Stunde später vor dem Lokal voneinander verabschiedeten, sagte er: »Hören Sie, Herr Dr. Röhli. Ich habe Sie als verschwiegen und vertrauenswürdig kennengelernt. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich mir ernste Sorgen um Ihre Gesundheit mache.«
    »Sie meinen wegen der Arthritis? Das geht schon. Ich habe inzwischen einen guten Rheumatologen gefunden. Ist schon besser als letztes Jahr.« Urs Röhli lächelte ihn an.
    »Nein, es geht mir um etwas anderes.« Oberst Klarow sah dem Schweizer Wissenschaftler lange und durchdringend in die Augen. »Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, das ich Ihnen nicht gesagt haben kann, weil ich es nicht weiß. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Dr. Urs

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