Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
Vom Netzwerk:
wanderte zu den anderen Frauen, die ebenfalls Säuglinge in ihren Armen hielten. Was er sah, war nichts als Angst. Er nickte zufrieden. Schließlich schaute er den Oberleutnant wieder an.
    »Lasset die Kindlein zu mir kommen.«
    *
    Bremerhaven, Januar 2004
    Jensen war bester Dinge. Das war ein Geschäft ganz nach seinem Geschmack gewesen. Und der russische Kapitän hatte ihm auch noch die Adresse eines illegalen Spielclubs mitgegeben, in dem heute Abend gespielt würde. Hoch gespielt. Ehrlich gespielt, wie der Kapitän ihm versichert hatte. Und auch noch sein Lieblingsspiel: Poker.
    Ist ein feiner Kerl, der russische Kapitän, dachte er.
    Er hatte zwanzigtausend Euro in bar dabei, und er hatte das untrügliche Gefühl, dass ihm das Glück heute hold sein würde. Er würde mit noch mehr Geld nach Hause gehen, als er jetzt bei sich hatte. Er würde seine Schulden zurückzahlen können und wäre in seinen angestammten Spiellokalen wieder ein gerngesehener Gast.
    Diese Gedanken brachten ihn dazu, ein Liedchen zu pfeifen, während er durch die nächtlichen Straßen ging. Er hatte sich überlegt, ein Taxi zu nehmen, aber die angegebene Adresse lag in der Nähe.
    Der Wind ging zwar immer noch kräftig, aber der Regen war zu einem leichten Nieseln geworden. Und so ein bisschen frische Luft würde guttun vor dem Spiel.
    Als er nach einem Fußmarsch von nicht ganz einer Viertelstunde die angegebene Adresse erreichte, zog er den Zettel aus der Tasche, den der russische Kapitän ihm gegeben hatte. Er kontrollierte nochmals Straße und Hausnummer, dann suchte er die Klingel mit dem Namen.
    Noch bevor er den Knopf gedrückt hatte, öffnete sich die Tür. Ein schwarzhaariger Hüne stand im Türrahmen und musterte Jensen misstrauisch.
    »Guten Abend«, sagte Jensen. »Ich komme von Jestschew.«
    Die Züge des Hünen entspannten sich.
    »Von Jestschew«, wiederholte er mit einem starken osteuropäischen Akzent. »Dann sind Sie uns willkommen. Sie müssen Jensen sein.«
    »Ja, genau.«
    Ein ungutes Gefühl beschlich Jensen. Es war ihm gar nicht recht, dass diese Leute seinen richtigen Namen kannten.
    »Dann kommen Sie mal rein.« Der Hüne machte eine einladende Geste. »Und entschuldigen Sie den Zustand des Flurs. Wir haben gerade die Maler da.«
    Der Flur war nur schwach beleuchtet und mit Plastikfolie ausgelegt. Jensen trat ein. Rechts von ihm war ein leerer Türrahmen, das Zimmer dahinter lag in völliger Dunkelheit.
    Schlagartig wurde Jensen klar, dass dies kein illegaler Spielclub war, sondern ein leerstehendes Wohnhaus. Davon gab es in Bremerhaven jede Menge.
    Er wollte sich gerade zu dem Hünen umdrehen, als eine Klinge ihm auf der rechten Seite in den Hals fuhr. Der kräftige linke Arm des Mannes hinter ihm hielt ihn aufrecht, die rechte Hand tastete Jensen ab.
    All das bemerkte er mit erstaunlicher Klarheit, während das Leben aus ihm herausfloss. Der Scheißkerl wollte sein Geld. Er versuchte, die Arme zu heben, um seinen Reichtum zu verteidigen. Seine Knie gaben nach. Ihm wurde kalt.
    Sein Denken und Fühlen zerfaserten in die Dunkelheit des Flurs.
    Der schwarzhaarige Hüne wickelte Jensens noch warmen Körper mit geübten Bewegungen in die Plastikfolie, klebte das Paket zu, lud es in den Kofferraum seines Wagens und fuhr zum nächstgelegenen Hafenbecken.
    *
    Jestschew stand am Tor der Container-Kaje, dort, wo die Mannschaften der Schiffe von Zoll und Grenzschutz abgefertigt wurden. Es waren keine Probleme aufgetaucht. Der Regen hatte mittlerweile völlig aufgehört, und auch der Wind ließ merklich nach. Das waren eigentlich gute Zeichen für einen alten Seefahrer.
    Dennoch: Kapitän Jestschew war ein vorsichtiger Mann. Er hatte für alle Fälle Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. In seinem Rücken steckte im Hosenbund eine Makarov-Pistole. Er wartete auf seinen Kontaktmann.
    Er würde heute Abend mehr Geld erhalten, als er jemals zuvor in seinem Leben besessen hatte. Er würde sich zur Ruhe setzen können. In einem Land seiner Wahl. Wenn er es nicht übertrieb, würde er von dem Geld den Rest seiner Tage leben können.
    Der Mann, der ihm gegenübertrat, wies sich mit einem in der Mitte durchgerissenen Geldschein aus. Jestschews Hälfte, die er in Kaliningrad erhalten hatte, passte genau. Der Mann sprach Russisch mit ihm.
    »Kommen Sie mit. Ich bringe Sie zu Ihrem Geld. Es liegt in einem Schließfach im Hauptbahnhof.«
    Jestschew entspannte sich. Der Mann hatte offensichtlich keine üblen Absichten. Der Hauptbahnhof war ein

Weitere Kostenlose Bücher