Oktoberfest
benahm sich auffällig. Seit diese deutsche Journalistin im Zelt war, ließ er sie kaum aus den Augen. Er sprach viel mit ihr. Das war sonst nicht seine Art. Iljuschin war kein Mann, der viele Worte verlor. Vielleicht bekam Blochin es gar nicht mit Problemen von außen zu tun, sondern musste auf Probleme reagieren, die in seiner eigenen Truppe entstanden. Was war los mit Iljuschin?
Und drittens war da dieser bohrende Schmerz in seiner rechten Schulter. Dr. Kusnezow hatte ihm zwar starke Schmerzmittel und Entzündungshemmer gespritzt. Aber bei der kleinsten Belastung des fixierten Armes brannten sich Höllenqualen durch die dämpfenden Analgetika hindurch und loderten in den Nervenbahnen seiner rechten Körperseite.
Der andauernde Schmerz kostete ihn Kraft. Seine Konzentrationsfähigkeit litt. Und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Noch nie hatte er seine vierundfünfzig Lebensjahre so deutlich gespürt. Ausgerechnet jetzt, da er seine volle Leistungsfähigkeit so dringend brauchte.
Würde er den Belastungen der Extraktionsoperation überhaupt gewachsen sein? Bei der Beantwortung dieser Frage kam er immer wieder zu dem Schluss, den er gleich nach seiner Verletzung schon gezogen hatte. Es würde gehen müssen . Bald hätte er Zeit, sich auszukurieren und zu erholen.
Er schob sich den letzten Bissen Schmalzbrot mit der linken Hand in den Mund und erhob sich. Sofort meldete sich seine Schulter. Nur mühsam unterdrückte er ein Stöhnen. Über Funk rief er Okidadse.
»Wie kommen Sie mit den Vorbereitungen für die ›Lebensversicherung‹ voran, Polkownik? Gibt es irgendwelche Probleme?«
»Nein, General. Keine Probleme. Ich lasse gleich den dritten Test durchlaufen. Bislang alles wie vorgesehen«, meldete sein technischer Führungsoffizier.
»Das höre ich gerne, Polkownik. Machen Sie weiter. Sie wissen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.«
»Alles klar, General. Das System wird einsatzbereit sein, wenn wir es brauchen. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Blochin unterbrach die Funkverbindung. Langsam schüttelte er den Kopf.
Eigentlich hätte er mit dem Verlauf der Operation zufrieden sein können.
Eigentlich.
Aber …
*
»Da! Schon wieder! Schauen Sie sich das an!«
Stefan Meier fuhr auf seinem Stuhl herum. Der junge Assistent, der an dem Terminal rechts neben ihm saß, zeigte aufgeregt auf den Bildschirm vor sich. Meierinho musterte die Wellenformen, die eines der Fenster auf dem Monitor zeigte, mit zusammengekniffenen Augen.
Tatsächlich! Da war das Signal wieder. Jetzt schon zum dritten Mal. Und es kam vom Benediktiner-Zelt.
Im Unterschied zu dem codierten Digitalfunk, den die Täter für ihre interne Kommunikation benutzten, war dieses Signal jedoch sehr viel stärker.
»Die müssen da einen unglaublich starken Sender haben! Aber was hat dieses Signal zu bedeuten? Für wen ist es bestimmt?« Der junge Mann sah Meierinho fragend an.
Das ist die Eine-Million-Euro-Frage, sagte der sich im Stillen.
»Es sieht so aus, als ob es sich um ein Trägersignal handelt. Sehen Sie, der Verlauf ist gleichförmig. Als würden mit diesem Signal gar keine Informationen transportiert. Zumindest nicht im Moment.« Meierinho hielt inne und dachte nach. »Wofür auch immer die Täter das brauchen, es scheint wichtig zu sein. Einen Sender dieser Stärke haben die bestimmt nicht zufällig dabei. Zeichnen wir auf?«, fragte er dann.
»Na klar!«, kam die prompte Antwort.
»Bereiten Sie das Signal als Schleife auf. Vielleicht können wir uns dazwischenhängen, wenn die Täter Informationen auf dieses Trägersignal draufpacken. Dann könnten wir …«
»Sie meinen, wir sollen eine Man-in-the-middle-Attack vorbereiten?«
»Genau!« Kluges Kerlchen, dachte Meierinho. Er klopfte dem Mann anerkennend auf die Schulter. »Wenn wir den Träger identifizieren können, dann können wir später auch die darüberliegende Information isolieren.«
Vielleicht, dachte Stefan Meier, vielleicht haben die Täter gerade ihren ersten Fehler gemacht. Die Wahrscheinlichkeit war zwar gering, aber sie bestand. Und wenn die Täter tatsächlich dabei waren, einen Fehler zu machen, dann musste er bereit sein, diesen auch ausnützen zu können.
Er rief seinen beiden Assistenten ein aufmunterndes »Los geht’s! Attacke!« zu.
Er schickte eine E-Mail an Herrn Müller vom BKA. Denn wollten sie mit diesem Plan Erfolg haben, dann brauchten sie mehr Rechenleistung.
Viel mehr Rechenleistung.
12:00 Uhr
Sie hielten sich genau an die
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