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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Vertreter der Bürger dieser Stadt. Und ich sage, dass wir auf keinen Fall stürmen. Stellen Sie sich vor, was ein Fehlschlag bedeuten würde. Wer weiß, wie viele Unschuldige in den Zelten einen qualvollen Tod sterben. Und dazu dieselben Bilder wie 1972. Ein ausgebrannter Hubschrauber auf einem Münchner Flughafen. Das darf nicht sein. Das wird nicht sein. Das würde nicht mehr und nicht weniger als das Ende dieser Stadt bedeuten. Niemand kann eine solche Verantwortung übernehmen.«
    Er atmete erleichtert aus, als er sah, dass der Bundeskanzler langsam nickte. Die Erleichterung währte allerdings nur kurz. Dem Oberbürgermeister war klar, dass diese Stadt, seine Stadt, ohnehin nie mehr die sein würde, die sie noch vor vier Tagen gewesen war.
    *
    Amelie Karman war speiübel.
    Im Benediktiner-Zelt hatte ihr der Kerl mit dem flackernden Blick die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt. Danach hatte man ihr einen schwarzen Sack über den Kopf gestülpt. Seitdem umgab sie Dunkelheit.
    Einer der Männer hatte sie über seine Schulter gelegt wie eine Stoffpuppe. Dann war der Kerl, der sie trug, losgelaufen. Wie lange, konnte sie nicht sagen.
    Zehn Minuten?
    Zwanzig?
    Oder noch länger?
    Sie hörte das Geräusch eines Hubschraubers. Lauter und lauter. Schließlich ohrenbetäubend. Der Wind zerrte an ihren Kleidern. Es ging eine Rampe hoch.
    Jetzt waren sie wohl im Inneren des Hubschraubers. Sie wurde von der Schulter des Mannes gehoben und auf den Boden gesetzt. Der Boden unter ihr schwankte, als der Hubschrauber abhob.
    Brechreiz stieg in ihr auf.
    Dann waren sie geflogen. Wie lange, konnte sie nicht sagen.
    Zehn Minuten?
    Zwanzig?
    Oder noch länger?
    Um sie nur Dunkelheit. Sie bekam Panik, dass sie unter dem schwarzen Stoff ersticken würde. Ängstlich rang sie nach Luft. Sie hörte Stimmen, die sie nicht verstand. Immer wieder kehliges Lachen.
    Schließlich setzte der Hubschrauber höchst unsanft auf. Sie schlug sich den Kopf an. Wieder wurde sie hochgehoben.
    Wieder der Lärm.
    Wieder der Wind.
    Wieder lief der Mann, der sie trug, im Laufschritt. Diesmal kürzer.
    In die Geräusche des Hubschraubers mischte sich der Krach von Flugzeugdüsen. Sie mussten sehr nahe an einem Flugzeug sein. Es ging eine Treppe hoch. Sie wurde von der Schulter des Mannes gehoben und in einen Sessel gesetzt. Jemand legte ihr einen Gurt um den Bauch und zog ihn fest. Sie hörte das Zuschlagen der Türen.
    Ja, sie war an Bord eines Flugzeugs. Ihr Magen meldete sich erneut. Säuerlich stieg es ihr die Speiseröhre hoch. Dann die Beschleunigung. Sie stiegen in einer steilen Rechtskurve. Der Boden kippte nach Steuerbord weg. Schweiß brach ihr aus.
    Und plötzlich wurde Amelie Karman klar, dass sie sterben würde.
    An Bord dieses Flugzeugs.
    Mit einem schwarzen Sack über dem Kopf.
    Sie würde Werner nie wiedersehen.
    In diesem Moment nahm ihr jemand die Kapuze ab. Es war der Mann mit den unsteten Augen. Er trug nach wie vor die Sturmhaube, die sein Gesicht verdeckte, aber den Blick erkannte sie sofort.
    »Es tut mir leid, dass wir dich etwas unsanft behandeln mussten, Amelie. Aber wir konnten nicht riskieren, dass du irgendwelche Dummheiten machst. Du musst verstehen, dass wir einen relativ engen Zeitplan haben.« Die Augen des Mannes kamen überraschend zur Ruhe.
    »Du hast ja Angst«, sagte er mitfühlend. »Das brauchst du nicht. Wir haben ein tolles Abenteuer vor uns. Einen Tandemsprung mit dem Fallschirm! Und sieh mal …« Er zog eine Hand hinter seinem Rücken hervor. »Ich habe sogar daran gedacht, deine Handtasche mitzunehmen. Ich habe gehört, Handtaschen seien Frauen ungeheuer wichtig. Und du sollst dich doch wohlfühlen.«
    »Ich glaube, mir wird schlecht«, brachte sie mühsam hervor.
    Wortlos griff der Mann in das Netz neben ihrem Sitz und zog eine Spucktüte hervor, die er ihr vor das Gesicht hielt. Amelie übergab sich mehrfach. Danach wischte ihr der Mann mit einer Papierserviette den Mund ab wie einem kleinen Kind.
    »Ich hole dir etwas Wasser, Amelie«, sagte er mit sanfter Stimme und ging Richtung Cockpit.
    Nun hatte sie zum ersten Mal Gelegenheit, sich umzusehen.
    Das Flugzeug hatte ungefähr die Größe einer Boeing 737. Die Inneneinrichtung sah aus, als wäre sie schon viele Jahre alt. Sämtliche Beschriftungen waren in kyrillischen Buchstaben, die Amelie zwar als solche erkannte, aber nicht lesen konnte.
    Alle Sitze waren besetzt mit den Männern in den schwarzen Overalls. Die meisten hatten ihre

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