Oktoberfest
Maschinenpistole neben ihrem Helm auf den Boden gelegt. Der eine oder andere zog seine Sturmhaube vom Kopf. Einer warf einen verschweißten Kunststoffbeutel mit der rechten Hand in die Luft, fing ihn wieder auf und lachte.
Dann sah Amelie, wie der Anführer sich erhob und ebenfalls seinen Helm abnahm. Sie erkannte ihn eindeutig: Der Mann trug den rechten Arm in der Schlinge. Mit der linken Hand fasste er an den unteren Rand seiner Sturmhaube und zog sie sich vom Gesicht.
Der Schock traf Amelie wie ein Schlag in den Magen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, sich erneut übergeben zu müssen.
Sie sah in das Gesicht eines Mannes, den sie gut kannte.
Sie sah in das Gesicht eines Mannes, den sie als großzügig und liebenswert kennengelernt hatte.
Sie sah in das Gesicht eines Mannes, den sie jederzeit als ihren Freund bezeichnet hätte.
Vollkommen fassungslos starrte Amelie Karman in das Gesicht von Karl Romberg.
*
Okavango-Delta, Botswana, Afrika
Karl Romberg war begeistert. Die Safari hatte alle seine Erwartungen weit übertroffen. Die Vielzahl der neuen Eindrücke, die diese fremde Welt bereithielt, war überwältigend. Nicht umsonst wurde das Okavango-Delta als Naturwunder bezeichnet. Er konnte kaum glauben, dass es erst fünf Tage her war, seit er München verlassen hatte.
Er war in Johannesburg gelandet und von dort nach Maun im Nordwesten von Botswana weitergeflogen. Zunächst hatten sie ein Bergbaumuseum besucht. Die Förderung von Diamanten war der Motor für die Volkswirtschaft des Landes. Interessiert hatte Romberg sich die Ausstellung angesehen, die jeden einzelnen Schritt von der Förderung bis zum fertigen Edelstein nachvollzog.
Dann waren sie in Jeeps mit Allradantrieb ins Okavango-Delta aufgebrochen. Seit vier Tagen waren sie unterwegs. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation. Wundervoll: kein Fernsehen, kein Radio, keine Mobiltelefone. Sie hatten vollkommen autark gelebt. Trinkwasser und Treibstoff führten sie in Tanks auf den Wagen mit. Die Nächte verbrachten sie in einem Camp, das sie selbst errichtet hatten.
Tagsüber fuhren sie mit dem Jeep oder in kleinen Mokoros, wie die Einbäume der Ureinwohner hier hießen, durch die faszinierende Natur dieser einzigartigen Landschaft.
Und was hatte er nicht alles gesehen: Elefantenherden. Ein Löwenrudel. Eine Giraffe und ihr Junges. Grazile Gazellen. Eine Horde Flusspferde hatte sie gelangweilt gemustert, als sie in den Mokoros an den majestätischen Tieren vorbeiglitten. Eine unglaubliche Vielfalt von Pflanzen. Ungezählte exotische Vögel.
Absolut atemberaubend.
Jetzt verstand Karl Romberg, wovon die Leute sprachen, wenn sie vom Zauber Afrikas erzählten.
Heute Abend würden sie zum ersten Mal in einer Lodge übernachten. Fließendes Wasser, eine Dusche, um Schweiß und Staub abzuwaschen, eine Klimaanlage, ein europäisches Hotelbett.
Vor allem auf die Dusche freute sich Karl Romberg.
16
16:35 Uhr
D ie Sonne stand niedrig über der deutschen Hauptstadt. Eine dünne Wolkendecke dämpfte ihre frühherbstlichen Strahlen. Der Spreebogen lag in einem weichen Licht. Die Gebäude von Parlament und Regierungssitz warfen diffuse Schatten.
Im Konferenzraum des Kanzleramtes nahm jedoch niemand Notiz von dem Naturschauspiel. Das kleine Sicherheitskabinett war zur Lagebesprechung einberufen worden. Der Raum war leicht abgedunkelt. Der Innenminister war aus München über Videoleitung zugeschaltet.
Der Verteidigungsminister erhob sich und ging zu einer großen Leinwand, auf die ein Ausschnitt der Weltkarte projiziert wurde. Im Mittelpunkt der Karte war die Stadt München eingezeichnet. Um diesen Punkt herum verlief ein roter Kreis. Der Radius des Kreises betrug fünftausend Kilometer.
»Herr Bundeskanzler, meine Herren, die Lage ist folgende: Die Täter haben München vor wenigen Minuten mit der Beute verlassen. Sie befinden sich mit einer Geisel an Bord eines Flugzeugs.« Der Minister räusperte sich. »Ich fasse die letzten fünf Stunden für uns alle nochmals kurz zusammen. Pünktlich um zwölf Uhr haben wir die geforderte Menge Diamanten übergeben. Zweieinhalb Stunden später ist ein Hubschrauber in einem Münchner Industriegebiet gestartet.«
Der Verteidigungsminister hatte die Projektionsfläche erreicht. Die Karte verschwand. Ein Film wurde eingespielt. Man sah die Wirtsbudenstraße und den Eingang zum Benediktiner-Zelt. Plötzlich flogen die Türen auf. Bewaffnete Männer stürmten in Dreiergruppen heraus.
Schwarze
Weitere Kostenlose Bücher