Oktoberfest

Essen wird Ihnen so schnell wie möglich gebracht.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Ist wirklich alles in Ordnung? Was ist denn passiert, dass Sie so schnell aufbrechen müssen?«
    Am anderen Ende der Leitung hörte sie so etwas wie ein Keuchen.
    »Eine Familienangelegenheit«, sagte Herr Romberg knapp und legte auf.
    *
    Sie lagen perfekt im Zeitplan. Soeben hatte der General seine kurze Ansprache an die Männer im Flugzeug beendet. Eine unsentimentale Abschiedsrede. Er dankte den Männern und sprach ihnen seine Anerkennung aus. Jedem gab er danach einzeln die Hand und verabschiedete sich schließlich von Oberst Iljuschin und Dr. Kusnezow. Iljuschin wich nicht von Amelies Seite.
    Dann wurde der Behälter mit Blochins Ausrüstung abgeworfen. Ein Schlauchboot mit einem kleinen Motor. Verpflegung, Medikamente, Munition, Kleidung, Bargeld. Ein Behälter von Größe und Aussehen einer Rettungsinsel fiel der Adria entgegen. Der Fallschirm würde sich erst in niedriger Höhe öffnen.
    Okidadse sah Blochin auf sich zukommen und stand auf. Der General trug bereits den schwarzen Fallschirmspringeranzug. Auch das Gurtzeug hatte er schon angelegt.
    »Polkownik Edouard Okidadse, ich komme, um mich zu verabschieden. Der Zeitpunkt ist da. Ich übergebe Ihnen hiermit das Kommando! Leben Sie wohl!« Blochin nahm Haltung an und salutierte.
    Okidadse hob ebenfalls die Hand zum militärischen Gruß an die Stirn.
    »Es war mir eine Ehre, General!«
    »Die Ehre war ganz auf meiner Seite, Polkownik. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Okidadse blickte über seine Schulter nach hinten zu den Bildschirmen. »Das kann ich brauchen. Bitte entschuldigen Sie, General. Ich habe zu arbeiten. Verdammt viel zu arbeiten. Und es muss schnell gehen. Dieser Angriff auf unser Bildsignal beunruhigt mich. Ich werde unseren Sender an Bord ebenfalls mit einem Zeitstempel versehen. Das hatte ich bei der Planung nicht für nötig gehalten. Ein Fehler, wie sich nun zeigt. Ein Fehler, den ich jetzt in aller Eile ausbügeln muss. Ich möchte nicht noch so eine Überraschung erleben.«
    »Sie sind der kommandierende Offizier. Sie brauchen sich für gar nichts zu entschuldigen.«
    Heller Fels.
    Blochin wandte sich nach einem angedeuteten Nicken ab und ging in das Heck des Flugzeugs, wo die Druckschleuse an der Innenseite der Gepäckluke montiert war. Zwei Soldaten befestigten den HALO-Fallschirm auf seinem Rücken. Ein weiterer kümmerte sich um das Atemgerät und die Sauerstoffflasche.
    Der Autopilot ließ das Flugzeug sinken und drosselte die Geschwindigkeit.
    Blochin schnallte sich ein Paket vor die Brust. In diesem Paket befanden sich fünfzehn Kilogramm ungeschliffene Diamanten. Seine Diamanten. Er als Kommandeur der Operation hatte zehn Prozent der Beute für sich veranschlagt. Niemand hatte widersprochen.
    Er überprüfte seine Pistole und seine MP5. Dann kontrollierte er die Druckanzeigen des Atemgerätes und sah auf seine Uhr und seinen Kompass.
    Die Schmerzen in der rechten Schulter spürte er kaum noch. Die Schulter war wieder voll beweglich. Mit einer ruckartigen Bewegung öffnete er die innere Tür der Druckschleuse. Er ging hindurch und schloss sie. Dann öffnete er auch die äußere Tür und trat in die eisige Höhenluft, die das Flugzeug noch immer mit hoher Geschwindigkeit durchschnitt.
    Sofort griff der Wind heulend nach seinem Körper. Seine Hände schlossen sich um die Sicherheitsleinen. Wütende Böen zerrten an ihm. Um ihn war nur noch Flattern und Knattern.
    Mühsam das Gleichgewicht haltend, drehte er sich zur Druckschleuse um und salutierte.
    Ein letztes Mal.
    Nachdem er einige Sekunden verharrt hatte, wandte er sich ab und trat an die Schwelle der Gepäckluke. Seine Hände ließen die Sicherheitsleinen los.
    Generalmajor a.D. Oleg Blochin sprang mit dem Kopf voran der Wolkendecke entgegen.
    *
    Okavango-Delta, Botswana, Afrika
    Viktor Slacek machte kein Licht im Treppenhaus. Das war nicht nötig. Das hätte die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung nur sinnlos erhöht. Der schwache Schein einiger Glasbausteine an den Treppenabsätzen musste reichen.
    Mit kraftvollen Sätzen, drei Stufen auf einmal nehmend, jagte Viktor Slacek die Treppe hinauf. Gut vorbereitet. Voll konzentriert. Er musste in den zweiten Stock. An seiner Hüfte spürte er das Gewicht der SIG Sauer Moskito.
    Selbst wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, Viktor Slacek hätte nicht auf den Boden geachtet.
    Das war nicht nötig. Er kannte sich hier aus.
    Nur noch eine