Oktoberfest
abwarten. Für den Fall, dass die Täter unsere Täuschung sofort bemerken. Denn ich befürchte, wenn der Evakuierungsbefehl erst einmal gegeben ist, kann er nicht mehr widerrufen werden. Die Menschen werden aus den Zelten drängen.«
»Bin ich ganz Ihrer Meinung. Aktivieren Sie jetzt die Wiedergabe!«
*
Okavango-Delta, Botswana, Afrika
Adele Mbwale kam an diesem Tag zu spät zur Arbeit.
Das war in den gesamten fünfzehn Jahren, die sie in dieser Hotelanlage arbeitete, noch nie vorgekommen. Sie nahm den Hintereingang, in der Hoffnung, dass ihre Verspätung unentdeckt bliebe.
Doch der Geschäftsführer stellte sie zur Rede.
Dabei stellte sich heraus, dass Adele Mbwale wahrlich einen guten Grund hatte, zu spät zu kommen. Sie sei vor einer Stunde Großmutter geworden, erklärte sie. Ihre älteste Tochter habe ihr den ersten Enkel geboren. Einen gesunden, kräftigen Jungen.
Diese Nachricht ließ den Chef freudig lachen und ihr ganz herzlich gratulieren. Der Geschäftsführer war im Grunde ein freundlicher Mensch und bei seinen Mitarbeitern beliebt. Er war zwar ein penibler Vorgesetzter, aber wenn jemand mit einem Problem zu ihm kam, hatte er immer ein offenes Ohr.
Ob der Kleine denn schon einen Namen habe?
»Festus soll er heißen«, sagte Adele Mbwale strahlend. »Wie unser Präsident«, fügte sie selbstbewusst hinzu. Adele Mbwale war sich sicher, dass ihr Enkel etwas ganz Besonderes war.
»Ein schöner Name, wirklich.« Ihr Chef sah auf die Uhr. »Beginnen Sie jetzt mit Ihrer Arbeit, Adele. Es macht nichts, wenn Sie nicht fertig werden. Heute ist ein großer Tag für Sie. Nochmals meinen Glückwunsch. Wo wollen Sie anfangen?«
»Ich fange im östlichen Treppenhaus an und mache als Erstes die Feuertreppe, wenn es Ihnen recht ist.«
»Von mir aus. Gut.« Der Geschäftsführer sah wieder auf die Uhr und rechnete im Stillen nach, wie sich die Verspätung auswirken würde. Das Treppenhaus hätte vor zwei Stunden gewischt werden sollen. Egal. Es verirrte sich ohnehin nur selten ein Gast dorthin.
Adele Mbwale machte sich mit bester Laune ans Werk. In persönlicher Bestzeit putzte sie die Treppen. Ihre Lippen pfiffen dabei fröhliche Lieder. Das Wasser glänzte auf den Stufen. Nach nicht einmal zwanzig Minuten war sie fertig und verließ das Treppenhaus, um in der Eingangshalle weiterzuputzen.
In diesem Moment löste sich Viktor Slacek aus dem Schatten des benachbarten Gebäudes und hastete auf die Tür zu, die ins östliche Treppenhaus führte. Dies war der kürzeste Weg zum Zimmer der Zielperson.
Er bewegte sich schnell.
Die glatten Kreppsohlen seiner Schuhe hinterließen keine erkennbaren Abdrücke im staubigen Boden.
*
Mit wenigen Schritten war Oleg Blochin bei Oberst Okidadse im Gefechtsstand an Bord der Yakovlev.
»Seit einer Minute überlagert ein zweites Signal unseren Sender in München. Eine verdammt gut gemachte Täuschung. Aber sie haben den Zeitstempel übersehen. Die glauben, sie können Spielchen mit uns treiben.« Okidadse sah seinen Kommandeur an, der neben ihm stand.
»Sind Sie sicher? Zweifel ausgeschlossen?«
Blochin registrierte ein kurzes Nicken seines technischen Offiziers.
»Donnerwetter! So viel Entschlossenheit und Risikobereitschaft hätte ich denen gar nicht zugetraut«, murmelte der General leise. Seit einer halben Stunde ließen die Schmerzen in seiner Schulter stetig nach. Er konnte den Arm schon wieder ganz gut bewegen. Die düsteren Gedanken waren vergangen.
Er würde es schaffen.
Sie alle würden es schaffen.
»Schicken Sie sofort ein Ultimatum an die Verantwortlichen. Wenn sie ihr Signal nicht innerhalb von zwei Minuten abschalten, dann exekutieren wir ein Zelt.« Blochins Stimme wurde kalt.
»Nehmen Sie eins von den großen.«
»Alles klar, General.« Okidadses Finger huschten über die Tastatur. Ab und an griff die rechte Hand nach der Maus. Nach kurzer Zeit sah er Blochin wieder an.
»Ultimatum abgeschickt.
Zeit läuft.
T minus zwei Minuten.«
*
Okavango-Delta, Botswana, Afrika
Dass er eigentlich duschen wollte, hatte er vollkommen vergessen. Seit zehn Minuten saß Karl Romberg bewegungslos auf seinem Hotelbett. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er wie hypnotisiert auf den Fernsehapparat. CNN berichtete live aus München. Die Zwillingstürme der Frauenkirche. Bilder eines riesigen Helikopters. Wie ein urzeitliches Insekt flog die Maschine in niedriger Höhe über die Stadt. Straßensperren der Bundeswehr. Die rotierende Radarantenne über dem
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