Oktoberfest
in seiner Stimme nicht vollständig unterdrücken. »Sie haben mir gesagt, Sie hätten nicht vor, die Täter davonkommen zu lassen. Das waren Ihre Worte, Herr Müller. Erinnern Sie sich? Und was ist jetzt? Die Täter sind weg. Mit der Beute. Noch immer befinden sich fast siebzigtausend Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr.«
»Die Täter sind nicht davongekommen«, antwortete Wolfgang Härter ruhig.
»Ach, nein? Und wie nennen Sie das dann? Die Täter sind vorübergehend abwesend?« Sofort bereute Kroneder seine scharfe Wortwahl. Seine Gedanken waren bei dem toten Thomas Aschner gewesen, und er hatte sich hinreißen lassen.
»Entschuldigung«, schickte er deshalb schnell hinterher. »Ich wollte Sie nicht …«
Der BKA-Mann namens Müller winkte ab. Dann sah er Kroneder mit einem langen, durchdringenden Blick an.
Blaues Feuer.
»Wissen Sie, was man in China über Schnecken sagt?«, fragte er unvermittelt.
»Schnecken? China?« Alois Kroneder schüttelte befremdet den Kopf. »Was haben Schnecken in China damit zu tun?«
Die Stimme des BKA-Mannes namens Müller sank zu einem Flüstern. Die Worte raschelten wie trockenes Laub. »Sie hinterlassen immer eine Schleimspur.«
Es klopfte. Die Blicke der beiden Männer gingen zu Kroneders Bürotür.
»Herein!«, rief Kroneder.
Der Kopf von Stefan Meier erschien in der Tür. »Entschuldigen Sie die Störung, aber ich müsste ganz dringend mit Herrn Müller sprechen. Wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Ich muss Ihnen was zeigen, Herr Müller.«
Wolfgang Härter erhob sich schweigend und ging zur Tür.
»Ich bringe ihn in zehn Minuten zurück«, sagte Stefan Meier zu Alois Kroneder, während er Härter die Tür aufhielt.
Auf der Schwelle drehte sich der Kapitän noch einmal um. »Was habe ich Ihnen gesagt, Herr Kroneder?« Seine Stimme klang deutlich fröhlicher als eben noch.
Kroneder sah ihn verständnislos an.
»Eine Schleimspur. Sie hinterlassen immer eine Schleimspur.«
Stefan Meier hastete ihm voran den Gang hinunter. Nach wenigen Schritten hatten sie den Arbeitsraum erreicht.
»Wenn Sie mich fragen, Herr Müller, dann haben wir den Dreckskerlen in ihrem Flugzeug ganz schön Feuer unterm Hintern gemacht«, sagte Meierinho mit hämischem Unterton.
»Sagen Sie mir, was passiert ist. Was wollten Sie mir zeigen?«
»Die Täter haben Daten vom Flugzeug zum Zelt geschickt. Wir haben die Übertragung mitgeschnitten. Wir konnten die Daten vom Trägersignal isolieren. Ich habe die Daten analysiert. Sehen Sie, hier.« Er deutete auf den großen TFT-Bildschirm, der auf seinem Schreibtisch stand.
Der Kapitän sah mit zusammengekniffenen Augen auf den Monitor.
»Einen Codec? Sind Sie sicher? Haben Sie das überprüft?«
Meierinho nickte. »Ja, aber es kommt noch besser. Es ist uns offensichtlich gelungen, die Täter so sehr unter Druck zu setzen, dass sie Flüchtigkeitsfehler machen. Der Codec ist meinem Eindruck nach mit heißer Nadel gestrickt. Nach unserer misslungenen Attacke auf ihr Bildsignal haben die Täter Angst bekommen. Die wollen auf Nummer sicher gehen, den Laden dichtmachen. Wenn ich spekulieren darf …« Er hob fragend eine Augenbraue in Härters Richtung.
Mit einer Geste deutete ihm der Kapitän, fortzufahren.
»Ich glaube, das Signal, das vom Flugzeug gesendet wird, hat bislang keinen Zeitstempel. Ich schätze aber, dass die Täter in den nächsten zehn Minuten einen senden werden. Und dann werden wir zur Stelle sein. Denn wir haben den Codec, den die Täter verwenden. Wir haben jetzt immerhin einen Fuß in der Tür. Mit etwas Glück und sehr viel Rechenleistung können wir das Okay-Signal der Täter an das Zelt aller Voraussicht nach künstlich herstellen. Dann können Störsender das Original des Signals blockieren. Die Täter hätten nicht länger den Finger auf dem roten Knopf. Wir könnten augenblicklich mit der Evakuierung der Zelte beginnen und den Luftraum wieder öffnen.«
»Wie lange werden Sie brauchen?«
»Schwer zu sagen. Aber in ein bis zwei Stunden könnten wir so weit sein.« Meierinho streichelte mit der rechten Hand über den oberen Rand des Bildschirms. »Das Baby hat nämlich richtig Dampf unter der Haube«, sagte er dann und dachte dabei an die sechs an sein Terminal angeschlossenen Großrechenzentren, die nur darauf warteten, mit der Primfaktorenzerlegung zu beginnen.
*
Letzte Kontrolle: Anzug und Gurtzeug. Atemmaske und Sauerstoffgerät.
Oberst Okidadse sah auf die Uhr. Es war Zeit. Noch ein Blick auf
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