Oktoberfest
Position.« Stefan Meier klickte auf eine Schaltfläche, die die Legende der Luftbildkarte aktivierte, und lehnte sich nach vorne. »Hörnum«, entzifferte er. »Hörnum heißt das Nest. Das Signal kommt aus einem Haus an der Westküste der Insel. Sieht von oben aus wie eine Siedlung von Ferienhäusern. Insgesamt sechs Häuser, an einer Ringstraße gelegen.«
»Wie weit von der Küste entfernt?«
Meierinho sah auf den eingeblendeten Maßstab. »Luftlinie? Zweihundert Meter ungefähr.«
Kapitän zur See Wolfgang Härter veränderte in Gedanken die bisherigen Parameter der Operation. Er brauchte nicht nur Zugriffsspezialisten auf der Insel. Er brauchte noch etwas anderes.
Er brauchte ein Schiff.
0:48 Uhr
Die Männer der spanischen Guardia Civil waren die ersten, die etwas entdeckten. Von ihrem Hubschrauber aus sichteten sie einen Fallschirm, der sich im Wind bauschte wie das Segel eines gestrandeten Bootes.
Der Helikopter landete in sicherer Entfernung. Die schwerbewaffneten Männer näherten sich vorsichtig dem Fallschirm. Bald jedoch erkannten sie, dass ihnen keine Gefahr drohte. Ausgehend von der Gepäckbombe, die an dem Fallschirm hing, suchten sie die Umgebung ab. Weitere zwanzig Minuten später entdeckten sie die Leiche.
Der Fallschirm hatte sich nicht geöffnet.
Pech gehabt.
Interessiert inspizierte der spanische Offizier den zerschmetterten Körper von Dr. Kusnezow, während er den Fund seinem Vorgesetzten meldete.
*
Beim Flottenkommando der Deutschen Marine in Glücksburg herrschte trotz der nächtlichen Stunde normaler Dienstbetrieb. Die Gebäude des Bundeswehrstandortes in dem kleinen Ort in der Nähe von Flensburg waren hell erleuchtet. Durch die Feststellung des Spannungsfalles befanden sich auch die Einheiten der Marine in erhöhter Alarmbereitschaft.
Der Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Lars Akker, nahm das Telefonat in seinem Dienstzimmer entgegen. Als er die Codierung erkannte, schickte er alle Mitarbeiter vor die Tür. Eine Codierung, die seinen persönlichen Schlüssel verlangte. Während er seine Kennung in das Tastenfeld tippte, um sich zu legitimieren, kratzte er sich mit der linken Hand unruhig in seinem dichten Vollbart. Er war gespannt, was Zerberus von ihm wollte.
»Gott zum Gruß, Herr Admiral. Hier spricht Zerberus. Können Sie mich verstehen?«
»Laut und deutlich. Sprechen Sie!«
»Es geht um eine Anforderung im Rahmen der Operation ›Frauenkirche‹. Die Autorisierung durch den Bundeskanzler liegt mir vor. Die entsprechende Authentifizierung wird Ihnen jeden Moment über die gesicherte Faxleitung zugehen.«
»Operation ›Frauenkirche‹? Nichts von gehört. Worum handelt es sich?«
»Eine A&Ω-Operation. Robustes Mandat. Low Profile SAR. Geiselbefreiung. Dabei kann es zu einer Konfrontation mit Tätern aus München kommen. Ich brauche eine Fregatte in der Deutschen Bucht.«
»Eine Fregatte? Wozu brauchen Sie dafür ein Kampfschiff dieser Größe?«
»Wir werden seegestützt operieren. Ich will zudem die Option haben, die Geisel mit dem Hubschrauber zu extrahieren. Außerdem brauchen wir eventuell überlegene Feuerkraft.«
»Ich verstehe«, sagte der Befehlshaber der Flotte langsam.
Härter schwieg.
»Haben Sie Vorschläge, was das Kommando betrifft?«, fragte Lars Akker.
»Am liebsten würde ich mit Thomsen fahren. Den kenne ich schon lange. Und ich weiß, dass er einen kühlen Kopf behält, wenn es heiß hergeht.«
»Thomsen? Das kann ich nachvollziehen. Hat auch damals bei Ihrer Algerien-Sache die Nerven behalten. Und das war, wie wir beide wissen, keine Optimisten-Regatta auf dem Dorfteich. Ich prüfe gerade, wo er sich befindet.«
Vizeadmiral Akker gab den Namen von Broder Thomsen, einem aktiven Schiffskommandanten des zweiten Fregattengeschwaders, in sein Terminal ein. Ein Fenster erschien. Er nickte und schnaufte in seinen Bart, während er den Telefonhörer wieder vom Tisch nahm.
»Sie haben Glück, Zerberus. Thomsen liegt in Wilhelmshaven. Soll morgen zum Horn von Afrika auslaufen. Operation ›Enduring Freedom‹.«
»Sie wollen sagen, Herr Admiral, dass Thomsen auslaufbereit in Wilhelmshaven liegt? Mit Mannschaft und Material für einen Einsatz an Bord? Verpflegung? Treibstoff? Bordhubschrauber? Alles da?«
»Alles da. Inklusive scharfer Munition.«
»›Enduring Freedom‹ wird warten müssen, Herr Admiral. Ich fordere hiermit Thomsen mit seinem Schiff z.b.V. an.«
Lars Akker hob den Blick.
Die Tür seines Dienstzimmers wurde geöffnet.
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