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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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Dann wird niemandem etwas geschehen«, war die stereotype Antwort der Beamten auf Nachfragen der Besucher. In manchen Zelten war es zu kleinen Reibereien mit uneinsichtigen Betrunkenen gekommen. Größere Probleme gab es jedoch bislang nicht.
    19:10 Uhr
    »Sie reagieren wie vorausgesehen, General«, sagte Okidadse über Funk durch. »Sie riegeln die Zelte ab und räumen das Gelände. Sie hatten recht mit Ihrer Einschätzung. Jeder Münchner erinnert sich noch an den Bombenanschlag von 1980. Die haben Angst. Deshalb gehorchen sie.«
    »Na bitte. Der Mensch ist eben ein Herdentier. Im Zweifelsfall läuft er immer in die Richtung, in die die Mehrheit ohnehin schon läuft.«
    Es knackte, als sich Dr. Kusnezow meldete. »Wirkstoffkonzentration bei null, General. Wir können die Gasmasken abnehmen.«
    »Danke, mein lieber Doktor.«
    Blochin drückte eine Taste auf seinem Funkgerät. Jetzt konnte er mit allen Männern sprechen. »Gasmasken abnehmen. Der Wirkstoff ist durch das Dach verflogen. Aber erinnert euch daran, dass die Masken weiterhin am Mann zu tragen sind. Vielleicht kommt der Gegner auf die Idee, ebenfalls Gas einzusetzen.«
    Beinahe synchron nahmen die Männer die Helme vom Kopf und die Gasmasken von den verschwitzten Gesichtern. Sofort zogen sie sich schwarze Sturmhauben über die Köpfe. Zunächst holten sie nur vorsichtig Luft, merkten jedoch schnell, dass sie normal atmen konnten. Dann setzten sie die Helme wieder auf und zogen die Riemen unter dem Kinn fest.
    Die fünftausend Gäste des Benediktiner-Zeltes waren inzwischen zu einem Großteil wieder bei Bewusstsein. Sie waren noch benommen und bewegten sich nur langsam. Ungläubig schauten die Erwachenden auf das, was da vor sich ging.
    Die Bedienungen und das Küchenpersonal waren schon länger wieder bei sich. Dr. Kusnezow hatte jedem von ihnen eine Spritze mit starkem Herz-Kreislauf-Mittel und Aufbaupräparaten gegeben. Deshalb waren die Angestellten wesentlich schneller wach geworden.
    Iljuschin erklärte ihnen gerade vor den Schänken, dass sie weiterarbeiten sollten.
    Die Angestellten hörten ihm mit zweifelnden Mienen zu.
    »Und wenn jemand von Ihnen auf die Idee kommen sollte, zu fliehen, werden ihn unsere Scharfschützen auch außerhalb des Zeltes noch erwischen. Außerdem werden wir für jeden Fluchtversuch fünf andere Geiseln erschießen. Also lassen Sie das bleiben.« Iljuschin hielt kurz inne. »Und das Kassieren lassen Sie auch bleiben. Bis auf weiteres zahlt mein Chef alles.« Er deutete auf Blochin, der in diesem Moment auf die Bühne kletterte.
    Während die Angestellten ihre Köpfe drehten und Blochin mit ihren Blicken folgten, kehrten Iljuschins Gedanken zu der Frau auf dem Foto zurück.
    Das Foto trug er in der linken Innentasche seines Kampfanzuges.
    Direkt über dem Herzen.
    Vor seinem inneren Auge sah er diese wunderbare Figur. Dieser schlanke, sportliche Körper, der dennoch weiblich geschwungen war. Der General würde sich noch wundern. Mit einer schnellen, reptilienhaften Bewegung glitt seine Zunge über seine Lippen.
    Ich komme dir näher, dachte er.
    Jeden Tag.
    Immer näher.
    Ein Geräusch ließ Iljuschin seinen Kopf zur Bühne drehen.
    Blochin klopfte mit dem Finger zweimal auf das Mikrofon, um zu überprüfen, ob es eingeschaltet war. Die beiden dumpfen Schläge kamen verstärkt aus den Lautsprechern. Dann begann Oleg Blochin zu den Menschen im Zelt zu sprechen. Auf Deutsch.
    Ohne Akzent.
    *
    Polizeiwillkür.
    Diese Kasperlköpfe vor den Eingängen ließen sie nicht wieder ins Zelt. Dabei war Werner doch noch drin.
    Amelie Karman war verwirrt und ärgerte sich. Was hatte das zu bedeuten? Sie war vor ungefähr einer Viertelstunde auf die Toilette gegangen. Die Schlange vor den Klos im Zelt war wie immer so lang, dass sie es vorgezogen hatte, eine Toilette außerhalb des Bärenbräu-Zeltes aufzusuchen.
    Auch dort hatte sie dann warten müssen. Und jetzt ließen die niemanden mehr hinein oder hinaus.
    Doch damit nicht genug. Die Polizisten baten jeden, so schnell wie möglich die Theresienwiese zu verlassen. Es gebe ein Sicherheitsproblem, hieß es. Zurzeit würde die Lage überprüft.
    Nachdem Werner von Karl freibekommen hatte, hatten sie sich entschlossen, auf die Wiesn zu gehen. Einer von Amelies Kollegen hatte eine Boxe im Bärenbräu-Zelt gemietet, deshalb waren sie in dieses Zelt gegangen.
    Sie sah sich um. Die Leute liefen tatsächlich zu den Ausgängen der Festwiese oder zwischen den Zelten und Fahrgeschäften hindurch

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