Oktoberfest
dunklen Münchner Abendhimmel.
Hinter den Abschussrampen waren Hitze absorbierende, feuerfeste Decken angebracht worden. Das Zelt würde nicht abbrennen, wenn Raketen abgefeuert würden.
»Phase eins ist abgeschlossen. Wir sind feuerbereit, General.« Okidadse sah Blochin an.
Heller Fels.
Okidadse senkte die Stimme.
»Der Himmel über München gehört Ihnen.«
6
D as Krisenzentrum wurde im Kabinettssaal der bayerischen Staatskanzlei eingerichtet. Der Ministerpräsident und sein Büroleiter sowie der bayerische Innenminister, der Präsident des Landeskriminalamtes, der Polizeipräsident und der Oberbürgermeister waren versammelt. Mehrere Thermoskannen Kaffee wurden hereingebracht.
»Wir sollten eine kurze Erklärung an die Presse geben, bevor die sich irgendetwas zusammenreimen und dadurch unnötig Unruhe stiften«, sagte der Büroleiter des Ministerpräsidenten.
»Aber wir wissen doch selbst nichts. Was sollen wir der Presse da mitteilen?« Skepsis schwang in der Stimme des Oberbürgermeisters.
Der Präsident des LKA meldete sich zu Wort. »Trotzdem. Irgendetwas Beruhigendes. Wir haben die Lage unter Kontrolle und so weiter.«
Der Ministerpräsident wandte sich an seinen Büroleiter. »Dafür haben wir doch bestimmt einen vorbereiteten Text. Wir sollten die Standardmeldung herausgeben, die wir immer verwenden, wenn irgendeine Geiselnahme stattfindet. Aber fügen Sie hinzu, dass es sich nur möglicherweise um eine Geiselnahme handelt. Dass wir alles tun, um die Sicherheit unserer Gäste zu gewährleisten und so weiter. Setzen Sie den Text auf und geben Sie ihn über den Presseverteiler raus.«
Der Büroleiter erhob sich und verließ den Raum. Er trug einen Anzug in gedecktem Blau. Sein Jackett stand offen. Um seiner Erscheinung mehr Dynamik zu verleihen, steckte er die rechte Hand in die Hosentasche. Er lief mit schnellen, sicheren Schritten. Sein linker Arm begleitete seine Bewegungen mit rhythmischem Schlenkern.
Der Oberbürgermeister runzelte die Stirn. »Das ist aber nicht irgendeine Geiselnahme. Wenn das stimmt, was die mutmaßlichen Täter in ihren bisherigen Mitteilungen schreiben, dann ist dies die größte Geiselnahme der Kriminalgeschichte. Es ist noch gar nicht abzusehen, was dieses Verbrechen für München bedeutet.«
»Jetzt behalten Sie mal die Nerven«, sagte der Ministerpräsident. »Wir haben diese Schreiben ernst genommen, weil wir kein Risiko eingehen wollen. Wir wissen aber nicht, ob es auf der Wiesn überhaupt irgendwelches Gas gibt. Wie sollte so etwas technisch realisierbar sein?«
Die Sekretärin kam abermals herein. Sie war bleich. »Ein neues Fax von den Geiselnehmern, Herr Ministerpräsident. Ich habe mir erlaubt, Kopien für die Herren zu machen.«
Der Ministerpräsident nickte.
Sie legte vor jedem der Anwesenden drei Seiten auf den Tisch. »Ach ja, und es ist eine Standardmeldung über den Agenturticker gekommen. Die habe ich obenauf gelegt.«
Die Meldung war kurz: »Auf dem Oktoberfest in München findet gegenwärtig ein großer Polizeieinsatz statt. Die Hintergründe dieses Einsatzes sind noch unklar. Die Theresienwiese ist evakuiert worden. Die Besucher der Zelte befinden sich jedoch weiterhin dort. Die Sicherheitskräfte sind vor Ort. Das Gelände wird weiträumig abgesperrt.«
»Na, wunderbar«, entfuhr es dem Polizeipräsidenten. »Dann geht’s jetzt los.« Er schnaubte. »Aber der Kroneder ist ein tüchtiger Mann. Der wird die Stellung schon halten. Der hat heute ganz hervorragend reagiert.«
Während alle die Seiten lasen, senkte sich Stille über den Raum. Fast gleichzeitig hoben die mächtigsten Männer Bayerns wieder den Blick. Ihre Mienen waren versteinert. In ihren Augen stand völlige Fassungslosigkeit.
Der Oberbürgermeister fand als Erster die Sprache wieder. »Das kann nicht wahr sein.« Er sah den Ministerpräsidenten an. »Sie müssen sofort den Bundesinnenminister davon unterrichten. Fordern Sie die GSG 9 an.«
Der Ministerpräsident starrte zurück. Sein Blick schien aus weiter Ferne zu kommen. »Nun mal langsam, Herr Oberbürgermeister. Wir wissen nicht, ob das stimmt. Wie Sie selbst gesagt haben, kann das eigentlich nicht stimmen. Außerdem ist das bayerische SEK eine Spitzentruppe.«
»Trotzdem sollten wir die Hubschrauber umgehend zurückholen. Wir können nicht riskieren, einen von ihnen zu verlieren. Und wir müssen den Flughafen zumindest vorübergehend schließen. Bis wir wissen, woran wir sind.« Die Stimme des Oberbürgermeisters
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