Oktoberfest
zum Bavariaring oder zur Theresienhöhe. Nur noch wenige der Fahrgeschäfte waren in Betrieb. Irgendetwas war passiert. Amelie wandte sich erneut an den Polizisten.
»Ich bin von der Presse. Ich rufe jetzt meine Redaktion an und sage denen, was hier los ist. Oder Sie lassen mich wieder ins Zelt, damit ich meinen Lebensgefährten holen kann.«
»Ah, Sie sind von der Presse?« Der Polizist musterte sie unverwandt. »Dann werden wir Sie vorübergehend in Haft nehmen müssen.«
Fassungslos starrte Amelie Karman den Polizisten an.
Zwei Beamte brachten sie zur Wiesn-Wache. Währenddessen wich die Wut, die sie empfunden hatte, der Furcht. Mit kalten Fingern griff die Angst nach ihrem Herzen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie viele Polizisten unterwegs waren. Überall. Vor der Wache beobachtete sie, wie einem Bus noch mehr Beamte entstiegen.
Sie musste Werner helfen. Aber wie? Sie musste verhindern, dass sie hier festgehalten wurde. Sie musste die Redaktion anrufen.
Was um Himmels willen passierte hier gerade?
19:20 Uhr
Das Ultimatum lief ab. Und sie hatten es geschafft. Alois Kroneder sah auf seine nutzlosen Videoschirme, die ein Oktoberfest zeigten, das es nicht mehr gab. Aber es war keine Panik ausgebrochen.
Manchmal ist das Glück tatsächlich mit den Tüchtigen, dachte Kroneder.
Die Zelte waren abgesperrt. Keiner kam mehr rein, keiner kam raus.
Noch immer befanden sich Tausende Gäste auf dem Festgelände, doch die Theresienwiese leerte sich jetzt schnell. Weitere Beamte waren zusammengezogen worden. Die Fahrgeschäfte standen still. Die Buden wurden geschlossen. Drahtzäune wurden aufgebaut. Das gesamte Gelände wurde abgesperrt.
Er sah aus seinem Fenster. Gerade kamen zwei Panzerwagen des Grenzschutzes an. Die Hubschrauber waren auf dem Weg hierher. Bald würden sie sich von oben ein Bild machen können. Auch der Befehl an die Polizeikräfte war eindeutig: Bis auf weiteres nähert sich niemand dem Benediktiner-Zelt.
*
Kabel schlängelten sich in allen Richtungen durch das riesige Bierzelt. An Okidadses Gefechtsstand liefen sie zusammen. Wie eine Spinne in der Mitte ihres Netzes saß er dort an einer der Konsolen.
Drei Meter neben dem Dachfirst erhob sich ein Gestänge, das an eine Raumstation erinnerte. Ein Mast ragte heraus.
Ein stählernes Monument schierer Aggressivität.
Die hydraulischen Muskeln im Inneren der Konstruktion begannen, den Mast nach oben zu schieben. Dem Himmel entgegen. An der Spitze des Mastes befand sich eine Radarantenne von sechs Metern Breite. Es dauerte fast fünf Minuten, bis die Stahlkonstruktion über dem offenen Dach des Benediktiner-Zeltes zum Vorschein kam. Dann begann das Radar zu rotieren. Mehrere große Funkantennen und zwei Satellitenschüsseln waren ebenfalls an dem Mast angebracht.
Blochin sah zu Okidadse.
»Können wir jetzt den Mobilfunk stören?«
Okidadse nickte stumm.
»Dann machen Sie das. Unterbrechen Sie die Kommunikation. Die Nachrichtenagenturen werden die Sache bald bringen. Wir wollen ja eine Panik in den Zelten vermeiden.«
Okidadse aktivierte den Störsender, der sämtliche Mobiltelefone im Umkreis von fünf Kilometern lahmlegte.
Kein Netz.
No service available.
Blochins Mundwinkel kräuselten sich unter der Sturmhaube zu einem kleinen Lächeln.
Er stand neben Okidadse, als der einen weiteren Bildschirm aktivierte. Wie ein langer, grüner Finger zog der Radarstrahl seine Kreise. Konturen erschienen. Höhenlinien. Grüne, weiße und gelbe Dreiecke. Die Reflexionen der Radarstrahlen, die von der rotierenden Antenne abgestrahlt wurden. Der Waffensystemoffizier nahm seinen Lichtgriffel und begann an einem Grafiktablett mit der Arbeit.
Auf zwei weiteren Bildschirmen wurden Luftaufnahmen von München sichtbar.
»Wir haben Kontakt mit Cosmos-14, General. Der Satellit ist online.« Okidadses Stimme klang gleichgültig. Er sah auf die Digitaluhr, die zwischen den Bildschirmen angebracht war.
Genau im Zeitplan.
Zwei dicke Kabel verbanden den Gefechtsstand mit den Balkonen. Dort hatten die Männer ihre Arbeiten gerade abgeschlossen. Okidadse legte mehrere Schalter um, und zwei Maschinen erwachten zum Leben.
Das sonore Surren starker Elektromotoren erfüllte das Zelt. Die Balken, auf denen die enormen Apparate standen, waren mit verdichteter Karbonfaser verstärkt. Wie urzeitliche Monster erhoben sich die Abschussvorrichtungen. Und mit ihnen die Raketen. Auf jeder Seite drei.
Die Gefechtsköpfe von sechs Luftabwehrraketen reckten sich drohend in den
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