Oktoberfest
Besucher an der Wand hinter ihm etwas unglaublich Spannendes entdeckt.
Da sein Gegenüber nicht weitersprach, platzte Kroneder heraus: »Jetzt reden Sie schon, Herr Müller. Was sagt Ihnen das? Oder ist das jetzt geheim und für die Ohren eines einfachen Polizisten nicht bestimmt?« Ungewollt hatte seine Stimme einen Unterton von Verbitterung angenommen.
»Selbst wenn es geheim wäre, würde ich es Ihnen sagen. Sie haben sich mehr als jeder andere das Recht verdient, dass ich offen mit Ihnen rede.«
»Äh, wieso denn das?« Kroneder blickte den BKA-Mann namens Müller misstrauisch an.
»Herr Kroneder, eines kann ich Ihnen gleich sagen: Soweit ich den Ablauf der Ereignisse hier überschauen kann, sind Sie ein sehr besonnener Mann. Hätte man Sie einfach Ihre Arbeit machen lassen, anstatt dass die hohe Politik Ihnen ins Handwerk pfuscht, würden die Menschen in der Fischer-Liesl und die Kollegen vermutlich noch leben.«
Das überraschende Kompliment zeichnete ein schwaches Lächeln auf das Gesicht des Polizisten. Das erste seit vielen Stunden.
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen«, fuhr sein Gegenüber fort, »die Täter haben einen Phosphorsäureester eingesetzt. Ein Nervengift. Einen chemischen Kampfstoff. Vermutlich Sarin. Das ist auf der ganzen Welt gemäß der aktuellen C-Waffen-Konvention offiziell verboten.«
Der BKA-Mann namens Müller ließ ein kurzes, kaltes Lachen hören.
»Aber natürlich lagern in den Depots der Militärs dieser Welt noch immer gewaltige Mengen von diesem Teufelszeug. Und das sagt mir, dass wir es mit Profis zu tun haben. Mit menschenverachtenden Arschlöchern allererster Kajüte, wenn Sie mir dieses offene Wort gestatten.«
Eine kurze Pause folgte.
»Und wenn Sie wissen wollen, was ich vorhabe, nun, ich kann Ihnen zumindest sagen, was ich nicht vorhabe: Ich habe nicht vor, diese Leute davonkommen zu lassen.« Während des letzten Satzes hatte sein Besucher die Stimme gehoben.
Kroneder nickte. Sein Erstaunen nahm immer mehr zu. Ein kleiner Keim der Zuversicht blühte in ihm auf. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren.
»Ich hätte einen Vorschlag zu machen.« Der Besucher hatte seine Stimme wieder gesenkt.
»Und der wäre …« Misstrauen und Interesse schwangen in Kroneders Stimme mit.
»Suchen Sie über die Medien nach Zeugen, die von – sagen wir – halb sechs bis zur Evakuierung im Biergarten des Benediktiner-Zeltes waren. Befragen Sie die Bedienungen. Irgendjemand muss etwas gesehen haben. Wenn wir Glück haben, finden wir auf irgendeinem Videoband ein erstes verwertbares Bild eines Täters.« Müller lächelte ihn an.
Während Kroneder ebenfalls zu lächeln begann, griff er nach dem Telefon. Das war eine verdammt gute Idee. Trotzige Entschlossenheit überkam ihn. Er richtete sich in seinem Stuhl auf. Mit knappen Anweisungen veranlasste er eine Suchmeldung, dann erhob er sich und deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Tür.
»Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen das Gelände zeige? Eine Tatortbegehung verbunden mit einer kleinen Privatführung über die Theresienwiese?«
»Darum hätte ich Sie ohnehin gebeten.«
Der BKA-Mann namens Müller stand ebenfalls auf und strich mit den Händen über seinen Anzug.
»Hätten Sie vielleicht eine Polizeiuniform für mich? Ich würde mich gerne umziehen.«
»Äh … Bestimmt haben wir eine Uniform für Sie. Aber warum?«
»Ich möchte nicht mehr auffallen als unbedingt nötig. Außerdem hat eine Polizeimütze einen Schirm. Die Kameras, die die Täter benutzen, hängen alle relativ hoch. Der Schirm wird mein Gesicht verdecken.«
Über diese Eigenschaft einer Uniformmütze hatte Alois Kroneder noch nie nachgedacht. Dieser Müller war in der Tat ein ungewöhnlicher Polizist.
Nein, das stimmte nicht.
Dieser Müller war der ungewöhnlichste Polizist, den er jemals getroffen hatte.
8:30 Uhr
Als Stefan Meier an diesem Montag aufstand, bemerkte er als Erstes, dass der Wind zugenommen hatte. Er war noch nicht ganz wach, hatte gerade seinen Wecker ausgestellt, als er ein leises Pfeifen hörte.
Er zog die Jalousie hoch und sah nach draußen.
Der Wind ging böig, war allerdings noch nicht besonders stark. Einige frühe Herbstblätter wurden von den Bäumen herab auf die Straße geweht.
Schlaftrunken ging er in die Küche, um die Kaffeemaschine in Betrieb zu nehmen. Dann wandte er sich zum Badezimmer, um sein morgendliches Hygieneprogramm zu absolvieren. Während er sich die Zähne putzte, fiel ihm schlagartig
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