Oktoberfest
fixierte sein Gegenüber mit einem scharfen Blick. »Wie stellen Sie sich die ersten Maßnahmen Ihrer Männer vor?«
Als der Kommandeur der GSG 9, Polizeidirektor im BGS Hartmut Rainer, zu sprechen begann, hatte er die volle Aufmerksamkeit von Roland Frühes messerscharfem Verstand.
9:30 Uhr
Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Härter war schlagartig wach. Er nahm den Hörer ab.
»Ja, bitte?«
»Guten Morgen, Herr Müller. Sie wollten geweckt werden.« Die Rezeption. Der Stimme nach eine junge Frau.
»Ja, richtig. Danke.« Er legte auf und schüttelte den Kopf, um die Müdigkeit zu vertreiben.
Immerhin fast drei Stunden Schlaf.
Tief und traumlos.
Er stand auf und absolvierte in aller Eile sein morgendliches Programm: einhundertfünfzig Liegestütze, dann dieselbe Anzahl an Sit-ups. Bevor er unter die Dusche sprang, schüttete er sich zwei Liter stilles Mineralwasser die Kehle hinab, ohne auch nur ein einziges Mal zu schlucken.
Als er wieder aus dem Badezimmer kam, lief sein Kreislauf auf vollen Touren. Er zog sich seinen Anzug an und setzte sich an den kleinen Schreibtisch in seinem Zimmer. Dann breitete er ein weiches Tuch auf der Tischplatte aus und begann, seine Waffe zu reinigen.
Wie jeden Morgen.
Waffendrill.
Schlafwandlerische Sicherheit.
Mit Bewegungen, denen ein ungeübtes Auge nicht hätte folgen können, nahm er die Glock auseinander. Er kontrollierte alle Teile und rieb den Schlitten mit Waffenöl ein.
Gerade als er die Waffe zusammensetzen wollte, klingelte erneut das Telefon.
Diesmal das andere.
Er stand auf und ging zum Nachttisch, wo sein GSMK-Cryptophone an der Steckdose hing. Die Akkuanzeige stand wieder auf »voll«.
Die Kennung auf dem Display zeigte eine Nummer aus München an. Ein ungesichertes Gespräch.
»Ja, bitte?«
»Äh, spreche ich mit Herrn Müller?«
Er erkannte die Stimme von Alois Kroneder sofort.
»Guten Morgen, Herr Kroneder. Auch schon wieder auf den Beinen?«
»Ja. Ich habe hier in der Wache geschlafen. Ich werde diesen Posten nicht verlassen, es sei denn, dass mich einer mit Gewalt wegjagt.« Härter hörte, wie Kroneder am anderen Ende ein verunglücktes Lachen versuchte.
»Was gibt’s, Herr Kroneder? Kann ich etwas für Sie tun?«
»Sie haben doch gesagt, ich soll Sie anrufen, wenn sich hier etwas Außergewöhnliches tut. Ich wollte …«
Härter unterbrach ihn abrupt. »Warten Sie kurz, Herr Kroneder, ich rufe Sie in einer Minute zurück.«
Im Laufe der Nacht hatte die Abteilung A&Ω dafür gesorgt, dass der Telefonanschluss in seinem Hotelzimmer abhörsicher war. Er rief die Nummer an, die er auf dem Display seines Cryptophones abgelesen hatte. Kroneder nahm sofort ab.
»Müller hier. Schießen Sie los.« Sekundenbruchteile später bereute er bereits seine unglückliche Wortwahl.
»Die GSG 9 ist hier eingetroffen, Herr Müller. Wahrscheinlich wissen Sie das ohnehin, aber …«
»Nein, das ist absolut in Ordnung, dass Sie mich anrufen. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig«
»Ich habe denen bisher noch nicht gesagt, dass Sie bereits hier waren. Ich dachte mir …«
»Und wieder ins Schwarze, Herr Kroneder. Ich komme jetzt so schnell wie möglich zu Ihnen.« Abermals bemerkte Härter seine Metaphorik erst, als die Worte seinen Mund bereits verlassen hatten. Er musste aufpassen. Dieser Kroneder war ihm sympathisch. Deshalb rutschte er in die ihm vertraute Sprache. Das war jedoch seine Sprache und nicht die des Mannes namens Müller. Am anderen Ende entstand eine Pause.
»Sonst noch was?«
»Na ja, ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber es geht um den Abtransport der Leichen.« Härter hörte aufmerksam zu, während Kroneder fortfuhr. »Die Kühlräume in den Pathologien der Stadt sind inzwischen voll. Und irgendjemand ist auf die Idee gekommen, die Leichen in die Kühlhäuser von Hirschmoser zu fahren. Jetzt hat der von der Tragödie hier und von den Toten Wind bekommen und …«
»Wer ist das?«
»Eine lokale Berühmtheit, wenn man so will. Großmetzger und Wiesn-Wirt. Hat zudem jede Menge Kneipen in der Stadt. Für meinen Geschmack eine zwielichtige Figur. Aber offiziell hoch angesehen.«
»Und wo liegt Ihrer Meinung nach das Problem?«
»Der Mann hat eine bekannte Schwäche, die sich fatal auswirken könnte.«
»Und die wäre?«
»Der Mann sieht sich zu gern in der Zeitung. Der kann seinen Mund nicht halten.«
*
Er zog seine Codekarte durch den Schlitz des Kartenlesers und tippte dann seine Zugangsnummer ein. Das
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