Oktoberfest
An den Sperren, die einen äußeren Ring um das ganze Stadtviertel zogen, waren noch gewöhnliche Streifenpolizisten im Einsatz. Die Beamten, die den inneren Ring bewachten, trugen kugelsichere Westen, Helme und Maschinenpistolen.
Härter zeigte nun schon zum dritten Mal seinen BKA-Ausweis vor, der ihn als Herrn Müller auswies. Dann bogen sie vom Bavariaring ab und fuhren auf die Wiesn-Wache zu.
Ein Panzerwagen des Grenzschutzes sicherte die Zufahrt.
Das Gelände um die Wache wurde von Scheinwerferwagen beleuchtet. Auf der Theresienwiese brannten nur die Straßenlaternen entlang der Wirtsbudenstraße, der Schaustellerstraße und der Matthias-Pschorr-Straße, die direkt auf die Bavaria zuführt. Weltberühmt. Hier steht traditionell das Riesenrad.
Die Fahrgeschäfte lagen im Dunkeln. Die Buden, die am Tage Filzhüte, Magenbrot, Zigaretten, Bratwürste, Luftballons, gebrannte Mandeln, Stofftiere, Fischsemmeln, Souvenirs, Zuckerwatte oder Hochprozentiges anboten, waren verrammelt.
Durch die Planen der Bierzelte drang schwaches, milchiges Licht. Polizisten, Sanitäter und Männer des THW liefen geschäftig auf dem Gelände umher. Der Lichtschein vieler Taschenlampen flackerte über den Boden.
Das Benediktiner-Zelt war von weitem zu sehen.
Durch die Öffnung im Dach drang Licht aus dem Inneren. Von unten beleuchtete es den Radarmast und die rotierende Antenne an dessen Spitze. Licht und Schatten ließen das Radar wie eine unwirkliche Installation erscheinen.
Durch die Drehung der Antenne reflektierte diese die Innenbeleuchtung wie eine überdimensionale Discokugel. Lichtstreifen und tanzende, helle Punkte wurden von glänzenden Schrauben durch die Dunkelheit und auf die Blätter der umstehenden Bäume geworfen.
Härter sah sich um. Er prägte sich die Positionen der Überwachungskameras ein, die ihn erfassen könnten. Dann stieg er aus dem Wagen.
Die Angreifer haben offensichtlich einen Sinn für effektvolle Inszenierungen, dachte er, während sein Blick über die Theresienwiese schweifte. Sie beleuchten das Denkmal, das sie sich selbst gesetzt haben.
Auch die Regisseure der Nachrichtensender hatten diese Einstellung für sich entdeckt. Auf unzähligen Fernsehkanälen ging das Bild des angestrahlten Radarmastes um die Welt.
Härter sah zum Zelt der Fischer-Liesl. Dort wurden hohe Gitterzäune aufgebaut. Weitere Männer waren damit beschäftigt, Planen über die Zäune zu spannen, um einen Sichtschutz zu errichten. Gerade kamen einige Gestalten in Schutzanzügen aus dem Zelt.
Wortlos wandte der Kapitän sich wieder zu seinem Begleiter. Gemeinsam gingen sie zur Wiesn-Wache.
*
»Holen Sie diesen Mann näher heran.«
Blochin hatte seine Patrouille durch das Zelt unterbrochen und stand hinter Okidadse im Gefechtsstand. Der General deutete mit dem Finger auf einen Bildschirm. Das Objektiv der Kamera, die hoch über der Theresienwiese in der Mietwohnung stand, war auf den Eingangsbereich der Wiesn-Wache gerichtet. Das leistungsstarke Teleobjektiv vergrößerte den Besucher, bis seine Gestalt den ganzen Monitor füllte.
»Wieso? Was ist mit diesem Mann, General?« Okidadse drehte sich zu Blochin herum. Er konnte erkennen, dass die Augen seines Kommandeurs zu schmalen Schlitzen verengt waren. Die Brauen waren zusammengezogen.
Blochin sprach leise und abgehackt weiter.
»Nur so eine Ahnung, Polkownik Okidadse. Es liegt an der Art, wie der Mann sich bewegt. Und wie er sich umgesehen hat, als er aus dem Wagen stieg. Ohne Zweifel ein geschulter Beobachter. Können Sie das Kennzeichen des Wagens feststellen? Ist das einer von hier? Oder kommt er von außerhalb?«
»Das wird kein Problem sein, General.« Einige Sekunden vergingen. Okidadse richtete das Objektiv der Kamera auf die BMW-Limousine.
»Ziviles Münchner Kennzeichen, General. Warum interessiert Sie das? Stimmt irgendetwas nicht?«
»Es ist alles in Ordnung, Polkownik Okidadse. Ich habe nur das unbestimmte Gefühl, dass dieser Mann Schwierigkeiten machen könnte. Aber wahrscheinlich täusche ich mich. Speichern Sie die Aufnahmen für alle Fälle ab und schicken Sie die Bilder über den Satelliten an unsere Männer auf dem ›Spielplatz‹. Die sollen mal sehen, ob sie irgendetwas über den Mann in Erfahrung bringen können. Und überprüfen Sie das Kennzeichen.«
»Zu Befehl, General.«
Wenige Minuten später war die Satellitenübertragung abgeschlossen. Jenseits der polnisch-russischen Grenze erhielten Blochins Männer, die in seiner Operationsbasis,
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