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Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Titel: Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer&Meyer GmbH & Co.KG
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Geschichte loszuwerden.
    »Also: du möchtest mir sagen, daß es das war zwischen uns. Daß in der Beziehung ohnehin nichts mehr geht, daß du dein Leben endlich in ruhigere und geordnete Bahnen bringen möchtest, aber daß du mich nicht verlieren möchtest, daß wir durch soviel durchgegangen sind, gemeinsam, daß wir versuchen sollten, wieder das zu werden, was wir sind: Tante und Neffe. Und daß es auch für mich das Beste wäre, du siehst doch, wie ich an dem Zustand leide, aber nicht in der Lage bin, etwas dagegen zu unternehmen – «
    »Du? Du leidest, Wasja?«
    Ich trank von meinem Wein, Tatsiana fuhr sich über die Stirn, deutete ein Lächeln an.
    »Tut mir leid, das war unnötig.«
    »Kenne ich ihn wenigstens?«
    »Ja.«
    »Wirklich? Wer ist es?«
    »Stas.«
    Die Nachricht kam wie ein Schuß im Dunkeln. Ich war ein ahnungsloser und fassungsloser Trottel, jahrelang mit nichts anderem beschäftigt als damit, mir Alezja mit dem Leib vom Leib zu halten. Uns Alezja von der Seele zu halten. Um dieser Beziehung willen. Und dann fängt Tanja etwas mit meinem besten und ältesten Freund an.
    Er aber verleugnete ihn und sprach. Nicht wieder diese Worte! Ich kämpfte gegen die Sätze, die er mir ins Internat mitgegeben hatte. Ich kämpfte damit, das Glas auszutrinken und es Tanja nicht ins Gesicht zu schütten. Ich hätte sie töten können in diesem Moment.
    »Wie lange geht das schon?«
    »Wir wollten es dir sagen. Längst schon. Ich war total sauer, daß er es bei der Bootsfahrt nicht hinbekommen hat. Er hat dann ja sogar Manja eingeladen, um einen Vorwand zu haben, mit dir nicht sprechen zu müssen.«
    »Wie lange geht das schon?«
    »Was soll das, Wasja? Was bringt es dir, wenn du das weißt?«
    »So lange schon?«
    »Zwei Jahre.«
    »Zwei Jahre???«
    »Wir haben nicht miteinander geschlafen.«
    »Das tut mir leid. Für dich.«
    Ich bestellte eine Karaffe Wodka. Dazu nur ein Glas.
    »Ich habe ihm nichts erzählt von uns.«
    »Ach ja? Und weshalb macht er dann ein Drama daraus, als müßte er bei mir um deine Hand anhalten?«
    »Weil es auch so ist.«
    »Das Drama?«
    »Das Handanhalten.«
    Tatsiana bat ums Wort, ohne Unterbrechung, sprudelte, daß es wohl niemanden sonst gebe, der so gut wie Stanislau ermessen könne, welche Bedeutung unsere Beziehung für uns beide habe. Ohne daß er etwas von ihrem sexuellen Charakter wisse. Er habe, sie habe, man habe mich nicht verletzen wollen. Er habe, sie habe, man habe mir nicht den Eindruck geben wollen, daß sie mich beide jetzt im Stich ließen. Wo es ohnehin nicht so recht voran wolle mit meinem Leben. Auch als Paar seien sie beide für mich da. An unserem Kontakt würde sich nichts Eigentliches ändern. Es sei denn, ich wünschte es. Aber da wir erwachsen waren, vernünftige Menschen …
    »Ach komm, Tanja, erspar’s mir einfach, Appelle an meineVernunft hatten wir doch schon. Ich geh ins Internat, wir müssen nicht diskutieren.«
    »Wasja: Ich hab das seit Jahren mitgemacht, aber das geht nicht mehr. So geht das nicht mehr. Das macht alles kaputt.«
    Sie stand abrupt auf, legte einige Geldscheine auf den Tisch und warf mir einen undeutbaren Blick zu, bevor sie das Lokal verließ. Ich staunte über den Abgang. Es wäre eigentlich meiner gewesen. Klaut sie mir jetzt also auch noch meine Szenen. Nicht nur den Freund.
    Ich trank allein weiter. Wunderte mich über mich selbst. Ich war eifersüchtig. Aber nicht auf Stas. Sondern auf Tanja. Wenn ich an Marya dachte und daran, was mir bevorstehen würde, falls Alezja irgendwann einmal Wind von der Sache bekäme, wurde mir plötzlich klar, daß es wichtiger war, den Freund nicht an die Tante zu verlieren.
    Um halb zwölf entfernte man mich aus dem Laden. Ich nahm ein Taxi, fuhr zu Stas, klingelte seine Vermieterin aus dem Bett, die mit der Polizei drohte, wenn ich nicht sofort abziehen würde. Ich machte es mir im Treppenhaus bequem, sah aber nach einer halben Stunde ein, daß es keinen Sinn hatte. Stanislau würde nicht rauskommen, um sich mit mir zu prügeln.
    Auf der Schwelle der Haustür, die Tag und Nacht offenstand für Herumtreiber, wilde Katzen und Hunde, sah ich, daß mir Tanja eine SMS geschickt hatte.
    stas ist noch in polen. laß ihn in ruhe. wenn du streiten willst, komm zu mir. sobald du wieder nüchtern bist. liebe, trotz allem: t.
    Das Taxi war weg. Die letzte Metro auch. Ich hatte jede Menge Zeit, um auf dem Weg nach Hause nüchtern zu werden.
    Der Tag hatte seine Unschuld verloren. Eine Ente querte, laut

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