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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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steht ausschließlich, wie ich dich dummes Stück aus der lausigen Schulsache rauszieh! Wenn du wenigstens nicht so hundsmiserable Noten hättest! Da könnte ich ganz anders auftreten!«
    Ich weiß nicht mehr, wie oft ich noch dazu ansetzte, ihr zu erklären, daß ich mit einem völlig verzweifelten Mädchen dasitze, das ganz rasch Hilfe braucht. Sie reagierte nicht.
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    Sie unterbrach mich mit Sätzen wie: »Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver!« und: »In zwei Stunden bin ich daheim!« Und: »Wenn sie wirklich so verprügelt wird, muß sie sich an das Jugendamt wenden, die gehen der Sache nach!« Und: »Kümmere dich in deiner Situation lieber um deine eigenen Probleme!« Und: »Rede kein wirres Zeug, werter Sohn!«
    Ich wollte nicht einsehen, daß meine Mutter so stur, so bor-niert, so ohne Gefühl sein konnte. Sogar als sie einfach, während ich wieder von vorne anfing und ihr Jo-schis Lage erklären wollte, den Hörer auflegte, gab ich nicht auf. Ich wählte noch einmal ihre Nummer. Doch diesmal blieb die Kanzleifrau hart. Meine Mutter wünsche keine telefonische Kontaktaufnahme mehr mit mir, sagte sie. Ich brüllte:
    »Dann leckt's mich alle am Arsch!« in den Hörer und knallte ihn auf die Gabel.
    Die Joschi stand vom Sofa auf. »War was wegen der Party?« fragte sie mich. »Weil du deiner Mutter gesagt hast, darum geht es nicht.«
    Ich informierte die Joschi, ohne zu erwähnen, daß man sie allgemein als Joint-Lieferantin hingestellt hatte und daß der Hofrat hinter ihrem Namen her war. Das hätte ihr noch den Rest gegeben!
    »Dann steckst du ja selbst knietief im Dreck«, sagte die Joschi. Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich mich ungeheuer im Dreck stecken fühlte, viel tiefer noch als bis zu den Knien. Aber mit den Schwierigkeiten, die man mir machen konnte, hatte der Dreck, den ich um mich spürte, nichts zu tun. Ein paar lächerliche Hofratsbeschuldigungen, eine unerlaubte Entfernung aus der Schule, das sind keine Angelegenheiten, die mich verzweifelt machen. Ich fühlte mich
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    total beschissen! Von lauter Wahnsinnigen, Bösartigen und Blöden total von oben bis unten beschissen! Kollegen, die einander mit Dreck bewerfen, um die eigene Haut zu retten, eine Familie, die auf blöde Anschuldigungen mehr hört als auf meine Erklärungen, und daß sich die Mama so bodenlos mies verhalten konnte, fand ich am dreckigsten. Die Joschi schaute sich im Zimmer um, betrachtete ein Bild an der Wand, eines mit einem roten Fleck und einem schwarzen Streifen darüber und sonst nichts darauf, und sagte:
    »Du hast ein komisches Zimmer, ich hab noch nie gesehen, daß wer so ein Zimmer hat.«
    Ich sagte der Joschi, daß das gar nicht mein Zimmer ist, sondern das Zimmer meiner Mutter, und daß ich sie nicht in mein Zimmer hatte führen können, weil dort gerade vier hysterische Weiber eine Hasch-Razzia machten.
    Die Joschi seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch die Stoppelfrisur. »Du, dann geh ich wieder«, sagte sie.
    »Dableiben kann ich ja auch nicht ewig. Aber hast du vielleicht ein bisserl Geld für mich? Ich bin blank.«
    Ich hob die Schreibunterlage vom Schreibtisch und nahm den Handkassenschlüssel. In der Kasse hatte die Mama immer Reservegeld. Ich sperrte die Kasse auf. Drei Riesen und ein Brauner waren drinnen.
    »Nein, bitte«, wehrte die Joschi ab. »Ich will nicht, daß du wegen mir deine Mutter beklaust!«
    »Ich ersetze es von meinem Sparbuch«, log ich. Die Joschi konnte ja nicht wissen, daß ich absolut kein Spare-Froh bin und daß sich auf meinem Sparbuch seit Jahren eine Einlage von zehn Schilling befindet. Ich nahm einen Blauen aus der Kasse und reichte ihn ihr. Dann wollte ich die Kasse wieder versperren, aber plötzlich kam mit etwas ganz Irres in den
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    Sinn! Ich nahm alle Geldscheine aus der Kasse, steckte sie in die Hosentasche, versperrte die Kasse, legte den Schlüssel wieder unter die Unterlage und sagte:
    »Wir fahren zu meinem Vater!«
    »Den kennst du doch gar nicht«, sagte die Joschi.
    »Na und?« fragte ich.
    »Und wenn alles ein Irrtum ist?« fragte die Joschi. »Wenn du das falsch kombiniert hast?«
    »Das wird sich herausstellen«, sagte ich. »Irgendwann einmal wäre ich sowieso hingefahren. Ich kann das genausogut jetzt tun. Und mit dir zusammen ist es mir lieber als allein!«
    Da ich es auf keine Auseinandersetzung mehr mit den vier garantiert in Türnähe lauernden Weibern ankommen lassen wollte, holte ich den Dufflecoat der Mama aus dem Schrank und

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