Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
unser Täter sich kein Gerät gekauft hat.“ Er konnte seinen Gedanken nicht beenden.
In dem Moment flog die Türe wieder auf. Staatsanwalt Gauernack kam herein und er sah nicht wirklich froh aus.
Er nahm wortlos eine der Zeitungen vom Tisch und hielt sie vor sich. „Was können wir den Schmierfinken entgegensetzen, meine Damen und Herren? Wir geben im Moment die Witzfigur schlechthin ab. ‚Täter misshandelt Opfer unter den Augen der Polizei‘. Das kann nicht sein. Hell, was ist los?“
„Wir sind genauso schlau wie vorher. Wir sind dabei ein Profil des Täters zu erstellen.“
Gauernack schaute Hell fast feindselig an. Er stützte sich mit beiden Armen auf der Hüfte ab.
„Aha, das kommt ja gut. Ich habe für sie hier Unterstützung geordert. Jemand, der sich mit dem Erstellen von Profilen besser auskennt.“
Hell spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Diese Behandlung hatten er und das gesamte Team nicht verdient. „Bei allem Respekt, Herr Staatsanwalt. Wir hier können nichts dafür, dass die Zivilkollegen Mist gebaut haben. Hier arbeitet jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten.“
„Ja, Kommissar Hell, genau, das ist es. Ich habe den Eindruck, das hier ist eine Nummer zu hoch für sie alle. Daher kommt heute Nachmittag Frau Doktor Franziska Leck aus Frankfurt zu ihrer Unterstützung.“ Als er den Namen aussprach, tat er das mit einem gewissen Stolz. Franziska Leck war eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, doch galt sie im Umgang mit Menschen als dann und wann etwas schwierig.
„Die brauchen wir nicht“, entfuhr es Wendt.
„Wen Sie hier brauchen, das bestimmen nicht Sie, Kollege Wendt.“ Wendt hatte in seinem Rücken gesprochen, Gauernack drehte sich schnell zu ihm herum.
Hell nahm sich extrem zusammen. „Herr Staatsanwalt, wir werden uns freuen, wenn Frau Leck uns unterstützt.“ Ihm war bewusst, dass er Wendt damit in den Rücken gefallen war. Hinterher bereute er seine Bemerkung und er wollte Wendt später erklären, warum er so reagiert hatte.
„Ich erwarte Frau Leck nachher in meinem Büro und gebe Ihnen Bescheid, sobald sie eingetroffen ist.“ Gauernacks Auftritt wurde von einem ausgewachsenen Türzuschlagen beendet.
„So ein Arschloch!“ Wendt schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, „Was bildet der sich ein?“
„Was versteht der von Polizeiarbeit?“ Auch Klauk blickte verstört auf die Türe.
„Er hat das Sagen. Und wenn er alle Profiler Deutschlands auf den Fall ansetzt – er kann es“, sagte Hell völlig entgegen seiner Überzeugung. Er war sich sicher, dass sie niemanden brauchten, der erst noch in den Fall eingearbeitet werden musste. Das brachte nur Zeitverzögerung mit sich.
„Und warum dann gerade diese Zicke Leck? Die ist doch bekannt dafür, dass sie sich mit allen Polizeibehörden anlegt, weil sie alles besser kann und weiß.“ Wendt beruhigte sich nicht, eher im Gegenteil.
„Ich finde gut, dass sie kommt“, sagte Meinhold, „Nein, nicht weil sie eine Frau ist und weltbekannt. Sondern weil wir einen Fall zu lösen haben und jede Unterstützung brauchen können. Und - wenn wir dann immer noch auf der Stelle treten trotz ihrer Anwesenheit, dann zeigt es nur, dass wir keine so schlechte Arbeit geleistet haben.“
„Ah, Frau Kollegin möchte ein Frauending daraus machen“, witzelte Wendt.
„Nein, Jan-Philipp, genau das möchte ich eben nicht.“
„Schluss jetzt, Kollegen. Wir haben genug Arbeit und benötigen keinen Streit hier in der Gruppe.“
Hell polterte selten so los. Wendt und Meinhold schauten sich an. Über das Gesicht Meinholds huschte ein kleines Lächeln. Wendt hingegen empfand eine doppelte Niederlage. Eine Niederlage wegen Frau Doktor Leck und eine gegen seinen Chef, der ihn bei Staatsanwalt Gauernack hatte hängen lassen.
Hell ordnete an, dass sie sich um fünfzehn Uhr wieder treffen würden. Er musste Kollegin Meinhold Recht geben. Eine Spezialistin konnte neue Facetten des Falles beleuchten. Klauk erhielt den Auftrag bei der KTU nachzufragen, ob die Farbe, mit der Flottmann tätowiert wurde, bestimmt werden konnte. Meinhold sollte sich von Wendt zeigen lassen, wie weit er mit der Beobachtung der Zoophilen und deren Freunden und Kritikern im Internet gekommen war. Sie mussten auch in Betracht ziehen, dass es vielleicht schon einmal ähnliche Vorfälle gegeben hatte, die man nicht mit der Szene in Verbindung gebracht hatte. Gab es etwas im Hintergrund, was ein brauchbares Motiv außerhalb der Zoophilenszene ergeben würde.
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