Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
Presse schreibt“, sagte Zeiger. Dieser Mann machte ihm Angst. Er hatte ihn noch vor einer Viertelstunde für einen braven Ehemann gehalten. Jetzt war er mit einem kaltblütigen Killer konfrontiert, der schon zwei Menschen auf dem Gewissen hatte.
„Was haben Sie meiner Frau gesagt?“ Hesse hockte sich erneut neben Zeiger auf den Boden.
„Nichts. Wie ich schon sagte, ich habe Sie für einen anständigen Ehemann gehalten, der von seiner Frau der Untreue bezichtigt wird. Sonst nichts.“
Hesse fuchtelte mit der Waffe vor seinem Gesicht herum und zog die linke Augenbraue hoch.
„Nein, weiter nichts. Ehrlich.“ Zeiger trat der Angstschweiß auf die Stirn.
Hesse klebte ihm erneut das Stück Panzerband auf den Mund und strich es fest. „Dann ist ja gut.“
*
„Jemand der Psychologie studiert, braucht oft selber Hilfe. Das ist ein Allgemeinplatz, oder?“ Meinhold wollte Doktor Leck in ein Gespräch ziehen. „Wie meinen Sie das denn?“
„Sie dürfen jetzt nicht denken, dass ich glaube, sie bräuchten psychologische Hilfe. Nein, ich stelle mir nur vor, wie sehr das einen belasten muss, wenn man sich andauernd in die Psyche von so abnormen Tätern versenken muss.“
Doktor Leck nahm einen Schluck aus ihrem Kaffeebecher. „Da haben Sie Recht. Zuweilen ist es anstrengend. Sehr anstrengend sogar.“ Beide warteten in Hells Büro auf den Kommissar. Doch anstelle von Hell trat plötzlich Stephanie Beisiegel durch die Türe. „Wir haben eine brauchbare DNA-Spur gefunden. Aus der Ziege, die auf dem Bauernhof gefunden wurde“, sagte sie anstatt von einem Gutenmorgen. Sie trug ein I-Pad in der Hand.
„Und? Kann sie bereits zugeordnet werden?“
„Nein, noch nicht. Aber sie ist männlich.“ Stephanie Beisiegel wirkte völlig aufgekratzt.
„Na, dann werden wir ja wohl etwas finden“, sagte Doktor Leck.
„Leichter gesagt als getan. Von den Männern, die wir bisher untersucht haben, ist keiner dabei. Das kann dauern. Vielleicht finden wir auch nie ein pendent“, brummte sie und legte ihr I-Pad auf Hells Tisch.
In dem Moment kam Wendt hinein. „Wo ist Hell?“
„Kommt gleich“, antwortete Meinhold, „Guten Morgen erst mal.“
„Morgen. Sorry. Für die Basics reicht es heute nicht mehr. Ich habe mir die Nacht um die Ohren geschlagen. In allen einschlägigen Tierschützerforen und bei Facebook ist unser Schütze mit der Armbrust quasi ein Held. Es gibt auch einige, die das anders sehen. Aber die Zahl der Fans steigt immer weiter. Keiner sieht hier wirklich einen Mörder, der sich vielleicht vor dem Computer in seine eigene Welt hineingesponnen hat. Vor allem die Gegner der Zoophilen sind völlig von der Rolle. Zwar weniger, weil sie den Mörder hochleben lassen, sondern weil das Thema nun endlich ins breite Bewusstsein gerückt wird.“ Er lehnte sich mit dem Hintern an die Fensterbank.
„Ist ja auch irgendwie verständlich, oder?“, fragte Meinhold. Sie suchte vor allem den Blick der Psychologin. Die fand ihn auch, ging aber nicht darauf ein, dass die Polizistin offen Sympathie für die Gegner der Zoophilen ergriff.
„In einer Welt ohne Handys, Laptops und Computer wäre das nicht so“, sagte Doktor Leck stattdessen.
„Ja, im Internet treiben sich schon merkwürdige Vögel herum. Vor allem ist jeder anonym. Da ist man schnell ein Radikaler. Und schnell berühmt.“
„Wenn ich mich an mein Studium erinnere, da gab es keine Handys, höchstens einen Atari-Computer, der eine bessere Schreibmaschine war. Und das World Wide Web war noch nicht einmal angedacht. Wenn man jemanden treffen wollte, ging man in die nächste Kneipe.“
„Heute sitzen die auch in der Kneipe. Doch jeder fummelt an seinem Telefon herum, surft im Netz, anstatt sich zu unterhalten. Man ist ständig erreichbar, kann zu jeder Zeit alles erkunden. Das ist in gewisser Weise ein Fluch“, sagte Wendt.
Meinhold hörte nur mit einem Ohr hin auf das, was ihr Kollege gerade sagte. „Was sagst du?“
„Ich sagte, die ständige Verfügbarkeit ist wie ein Fluch“, er wedelte mit seinem I-Phone, „Ich habe zwar auch ein Smartphone, aber ich sehe auch, dass man seine Auszeiten benötigt. Es gibt vor allem junge Leute, die haben das Teil ständig in der Hand.“
„Hmh“, brummte Meinhold, „Nicht nur junge Leute, auch Kinder. Kein Wunder, dass die alle ADHS haben und mit Ritalin ruhiggestellt werden.“
„Übertreiben Sie nicht, Frau Meinhold“, sagte Doktor Leck, „So schlimm ist es nicht, wie sie es
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