Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
Hell hatte ein SEK beantragt. Sie waren schon auf dem Weg. Meinhold startete den Insignia Turbo und gab Gas.
*
Kommissar Hell erhielt die neuen Informationen von Wendt. Es wäre fahrlässig gewesen, dem nicht sofort nachzugehen. Das SEK war beizeiten informiert.
Der Aufzug kam nicht sofort, Hell schlug wie ein Irrer auf den Knopf ein. Schließlich öffnete sich die Türe. Der Aufzug brauchte eine gefühlte Ewigkeit. Er hastete in die Tiefgarage und rannte zu seinem Wagen. Sollte es so leicht sein? Hatten sie den Täter gefunden? Er kurbelte das Seitenfenster herunter und wählte die Nummer des Leiters des SEK. Der meldete sich. Hell sagte, er sei auf dem Weg nach Hennef. Es solle keiner den Zugriff starten, bevor er anwesend sei. Sie legten auf.
Hells Dienstwagen jagte über die Autobahn. Mit Blaulicht. Sonderrechte waren erlaubt. Hell spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Vielleicht gelang es ihnen jetzt den Kerl zu schnappen, der schon zwei Menschen getötet hatte. Und einen verstümmelt. Und zwar bevor er erneut zuschlug. Sie wussten nicht viel über Daniel Hesse. Ein Familienvater, ein Bundeswehrausbilder, aber auch ein Mörder?
Eine Viertelstunde später trugen Hell und Meinhold schwarze, schusssichere Schutzwesten. In großen weißen Buchstaben stand dort SEK geschrieben. Vor dem Haus duckten sich die schwarz gekleideten Beamten hinter die Hecke. Auch auf der Rückseite standen die Einsatzkräfte bereit. Neben Hell stand der Leiter des SEK. Hell hielt seine Waffe im Anschlag, Meinhold hielt sich direkt hinter ihm. Hell gab ein Handzeichen und der Mann raunte ‚Zugriff‘ in sein Mikro, was er am Kragen trug. Neben Hell stand ein Mann mit einer Sturmramme. Der sprang vor, schlug das schwere Gerät gegen die Türe, die sofort zersplitterte und den Weg frei gab. Fünf SEK’ler rannten ins Haus, gaben sich gegenseitig Deckung, die Laser zuckten durch die Räume. Geschriene Kommandos. Einer nach dem anderen wurde als sicher ausgerufen. Hesse war nicht da. Es war auch kein Detektiv dort. Wenn er ihn wirklich in seiner Gewalt hatte, dann hatte er den Mann mitgenommen. Vom Garten her waren weitere SEK‘ler ins Haus eingedrungen. Die Männer entspannten sich. Die Laser wurden ausgeschaltet. Sie trugen ihre Waffen jetzt lässig, klappten ihre Visiere nach oben.
Hell verabschiedete sie. Er betrachtete die Bücher, die auf dem Regal im Wohnzimmer standen. Fachliteratur, eine Ecke mit Krimi-Klassikern wie Mankell oder Stieg Larsson. Er dachte an die Worte von Klauk. Stieg Larsson. Lisbeth Salander. Tätowierungen. Klauk hatte Recht gehabt. In einer Lücke zwischen den Büchern stand ein silbern gerahmter Bilderrahmen mit einem bunten Foto.
Die Spurensicherung folgte dem SEK. Hell stand in der Küche. Er hielt immer noch den Bilderrahmen in der Hand. Die Tatortermittler hatten den Auftrag, überall nach einem versteckten Raum zu suchen. Im Keller, auf dem Speicher. Sie klopften alle Nischen ab. Nichts fanden sie, weder auf dem Speicher noch im Keller. Doch in der Küche waren sie erfolgreich. Mit ihren Pinseln, mit ihrem Luminol. Sie fanden einen Blutfleck in der Küche. Getropftes Blut. Keine Hochgeschwindigkeitsspritzer. Nur einige Tropfen. Vermutlich harmlos. Hochgeschwindigkeitsspritzer hätten auf einen schweren Schlag oder eine Schussverletzung schließen lassen.
„Wenn es sein Blut wäre, dann hätte er es sicherlich weggewischt, oder?“
„Ja, das denke ich auch.“
„Wessen Blut ist es dann? Das vom Detektiv?“
„Möglich. Wir sollten ihn auf die Fahndungsliste setzen. So oder so.“
Meinhold betrachtete den Bilderrahmen in Hells Händen. Hesses Familie in glücklicheren Tagen. Meinhold dachte an ihre Mutter und an ihren Vater. Sie hatten sie gezeugt, sie hatten ihre Verrücktheiten in der Jugend ertragen, sie hatten ihr Studium finanziert. Doch nie hatte sie das Gefühl gehabt, wirklich wichtig für ihre Eltern zu sein. Sie spielte immer die zweite Geige. Stand immer hinter ihrem Bruder zurück. Ihr Bruder, der Doktor. Ihr Bruder, das Genie. Sie hatte sich nie als ein wertvolles Mitglied der Familie gefühlt. Sie hatte sich immer alleine gefühlt. Nie hatte sie sich wirklich auf jemanden verlassen können, der ihr die Entscheidungen abgenommen hätte oder der Lösungen für ihre Probleme präsentiert hätte. Die Last des Denkens und die Verantwortung ihrer Taten wurden nur auf sie selbst abgewälzt. Es dauerte lange, bis sie erkannte, dass niemand außer ihr für ihren Erfolg oder Misserfolg
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