Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
Waffe. Konnte er das riskieren? Culmann musste sich entscheiden. Zylau schaute ihn fortwährend an.
Culmann wünschte sich in seine Zeit als Ministerialrat zurück. Da musste er nie solche Dinge selber erledigen. Er hatte immer einen Erfüllungsgehilfen. Es erinnerte ihn an Namibia. Er hielt sich dort auf vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Großwildjagd. Sie waren mitten im Busch. Dort hatte ihn ein Träger dabei erwischt, wie er sich an einer Ziege verging, die als Köder für die Löwen mitgeführt wurde. Der Mann glotzte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und lief weg.
Der Träger wurde einen Tag später tot aufgefunden. Ein Löwe hätte ihn angefallen, sagte man. Culmann hatte einen Mörder gedungen, der diesen Mann für ihn tötete. Der legte ihn dann im Busch ab, die Hyänen taten ihre Aufgabe und man lastete es den Löwen an. Der Mörder war danach reich und Culmann behielt eine weiße Weste. So hatte er sich immer seine Probleme vom Hals gehalten. Mit Geld. Er tendierte jetzt auch dorthin, wenn es nicht die Waffe gegeben hätte in seinem Rücken.
„Wie viel wollen Sie? Ich habe nicht viel Im Haus.“
„Was ist denn nicht viel in ihren Augen?“ Zylau beugte sich nach vorne und faltete seine Hände.
„Dreißigtausend Euro liegen im Safe.“ Culmann log ihn an. im Safe lagen weit mehr als einhunderttausend Euro. Für ein Geschäft, bei dem es keine nachvollziehbare Transaktion geben durfte.
„Das reicht aber nicht. Höchstens als Anzahlung“, lachte Zylau, „Die Luft hier ist dünn geworden für uns. Ich muss weg hier. Sie sollten das auch ins Kalkül ziehen. Bei Dempf hat die Polizei sicher einiges gefunden, was uns belastet. Mit einhunderttausend Euro würde ich mich schon einvernehmlich zeigen.“
Culmann zuckte kurz mit den Augen. Wusste dieser Gangster mehr als er sagte? Wieso erwähnte er Dempf? Was konnte der Mann denn Belastendes gesammelt haben? Manche Entscheidungen fällt man in seinem Leben sehr spontan. So auch jetzt. Zu spontan. Culmann führte seine rechte Hand langsam hinter seinen Rücken, um nach der Waffe zu greifen. Er kratzte sich mit der linken Hand am Kopf und tat so, als wolle er sich mit der rechten Hand auf der Lehne abstützen. Er verlagerte sein Gewicht auf die rechte Körperhälfte und rutschte ein bisschen nach links. Als er nach der Waffe tastete, war Zylau schon auf den Beinen. Culmann versuchte, die Waffe zu greifen. Das misslang ihm. Mit einem Sprung war Zylau auf dem Schreibtisch und griff nach der Lampe, die dort stand. Culmann wich mit dem Stuhl nach hinten aus und stieß gegen die Heizung, die vor dem Fenster montiert war.
Zylau nahm die Lampe, schlug mit ihr nach Culmann. Irgendwie bekam er doch die Glock in die rechte Hand und zielte mehr schlecht als recht auf Zylau. Er drückte ab, die Glock bellte auf, die Patronenhülse segelte in Zeitlupe vor Culmanns Augen vorbei. Zeitgleich traf die Kugel die Schulter Zylau’s und dessen Schlag mit der Lampe Culmann. Der Glasschirm zerbrach. Die Wucht des Schlages warf den Stuhl um, die Glock fiel zu Boden, Culmann fiel auf die Waffe. Zylau zuckte vor Schmerz zusammen, rollte über den Schreibtisch ab und fiel genau mit seinem linken Knie auf Culmanns Hals. Der röchelte fürchterlich. Auf seiner Stirn klaffte eine hässliche Wunde, grünes Glas steckte darin. Zylau versuchte, an die Waffe zu gelangen. Er schob seine rechte Hand unter den auf dem Boden liegenden Mann und fischte die Waffe hervor. Damit schlug er erneut auf ihn ein. Culmann stöhnte benommen.
„Du dummes Schwein meinst Du, Du kannst mich ficken?“ Er stand auf, steckte die Waffe in den Hosenbund. Dann betastete er seine linke Schulter. Die Kugel war glatt durchgegangen. Es blutete nicht sehr, tat nur höllisch weh. Hatte jemand den Schuss gehört? Zylau blieb einen Weile dort stehen und schaute hinter der Gardine auf die Straße. Nichts tat sich dort. Daher wandte er sich dem Schreibtisch zu und durchsuchte die Schubfächer nach etwas Brauchbarem. Er fand Paketband und fesselte Culmann damit an Armen und Beinen. Dann zerrte er den Mann hinter dem Schreibtisch hervor und lehnte ihn an den Sessel, auf dem er zuvor gesessen hatte.
„Hey, aufwachen. Los, wach auf, du Arsch.“ Er schlug mit der flachen Hand Culmann ins Gesicht. Der öffnete die Augen und sah die Glock vor seiner Nase. Er wich vor Schreck einige Zentimeter nach hinten.
„Na, wer hat jetzt die besseren Karten? Hmh? Wenn Du es mit mir aufnehmen willst, musst du früher aufstehen.
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