Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
er ihn ansah. Etwas war geschehen, was schon Jahre vorher hätte geschehen sollen. Hell ahnte, dass es der Beginn von etwas Großem sein konnte. Soeben hatte er das erste Mal seit vielen Jahren die Hand seines Sohnes gehalten.
*
Hesse fuhr in die Tiefgarage am Marktplatz. Dort stellte er seinen BMW ab. Er stieg aus, steckte das Parkticket ein und nahm den Rucksack vom Beifahrersitz. Es war jetzt halb sieben Uhr abends. Das Parkhaus würde um zweiundzwanzig Uhr schließen. Es hatte angefangen zu regnen. Er hatte keinen Schirm. Hesse trat aus der Türe und spürte sofort die Schwüle, die noch trotz des Regens in der Luft lag. Er ging über den Marktplatz vorbei an dem frisch renovierten Rathaus und von dort aus weiter, bis er durch die Rundbögen der Universitätsgebäude trat. Vor ihm lag nun der mit alten Alleebäumen bestandene Park. Unter den alten Kastanienbäumen hatte er Schutz vor dem Regen, der nun doch sehr stark geworden war. Er hatte seine Pläne ändern müssen. Eigentlich wollte er bereits am frühen Morgen hier sein. Aber der Detektiv hatte diese Pläne zunichtegemacht. Er musste nun alles schneller erledigen als geplant. Als die Polizei vor seinem Haus auftauchte, stand er mit seinem Auto in einer Nebenstraße. Die Einsatzwagen fuhren an ihm vorbei. Das Handy des Detektivs hatte geklingelt. Auf dem Display sah er die Handynummer seiner Frau. Zusammen mit dem Auftauchen der Polizistin eine gute Stunde zuvor gab es gute Gründe, schnell das Haus zu verlassen.
Jetzt ging er unter den Kastanien schnell in Richtung der Druckerei von Gregor Bündgen. Ein Jogger rannte pitschnass an ihm vorbei. Der Boden blieb trocken. Er saugte den Regen sofort auf.
Der Regen war ihm willkommen und gab ihm Sicherheit. Bei Regen waren die Menschen mit sich beschäftigt. Keiner achtete auf andere. Keiner achtete auf ihn. Bald stand er vor der Türe der Druckerei. Er drückte die Klinke herunter. Die Tür schwang auf. Eine Glocke schrillte. Hesse erschrak. Er blieb einen Moment stehen.
Jemand rief aus dem nächsten Raum: „Wir haben schon geschlossen. Kommen Sie bitte Morgen wieder.“ Er hörte Schritte näherkommen. Kurz darauf stand Gregor Bündgen nur drei Meter entfernt vor ihm.
„Ich habe es eilig. Machen Sie bitte eine Ausnahme. Ich zahle auch gut.“
Bündgen kam freudig auf ihn zu und ging an ihm vorbei zur Türe und drehte den Schlüssel im Schloss herum.
„Was kann ich für sie tun? Lassen Sie uns nach hinten gehen. Wenn uns hier jemand sieht, kommt vielleicht noch einer auf die Idee zu klopfen.“ Er lächelte und ging vor Hesse in die Druckerei herüber.
Bündgen stellte sich hinter eine Art Zeichentisch.
„Worum geht es?“
Hesse nahm den Rucksack von den Schultern und stellte ihn vor sich auf den Tisch. „Das ist leicht erklärt“, sagte er, „Ich brauche ihre ganze Aufmerksamkeit.“ Er öffnete den Rucksack. Sein Blick fiel auf das Tätowierwerkzeug. Doch zog er stattdessen ein Buch aus der Vortasche des Rucksacks. Es war eines der Bücher, die er aus der Wohnung Flottmanns gestohlen hatte. Bündgen erkannt es sofort.
„Wenn Sie von der Polizei sind oder so ein irrer Tierschützer, dann kann ich Ihnen nichts sagen. Ich habe ein, zwei Mal einem Freund einen Gefallen getan. Danach habe ich solche Aufträge abgelehnt.“
Hesse hörte die Angst in seiner Stimme. „Ich kann Sie da beruhigen. Ich bin weder Polizist noch bin ich einer dieser idiotischen Tierschützer. Der Freund, den Sie erwähnten, war das Freddie?“ Hesse lächelte sein joviales Lächeln. Er musste diesem Mann, der ihm gegenüberstand, glaubhaft machen, dass er Freddie Zylau kannte. Darauf beruhte sein Plan. Bündgen schwieg.
„Er hat mir dies hier gegeben. Ich muss schon sagen, echt gut gemacht.“ Er hielt das Buch hoch und wedelte kurz damit.
„Und was wollen Sie von Freddie? Soviel wie ich weiß, ist er auf der Flucht vor der Polizei. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.“
„Ich muss ihn dringend erreichen. Als Robert Lohse ermordet wurde, sagte er, er wolle bald das Land verlassen. Die Szene sei nicht mehr sicher hier. Jetzt, wo die Polizei ihn sucht, braucht er sicher einen neuen Pass. Ich könnte ihm da behilflich sein.“
Bündgens Zweifel schienen zu schwinden. Er entspannte sich merklich. „Tut mir leid, ich kann trotzdem nicht behilflich sein. Ich weiß nicht, wo sich Freddie aufhält.“
Hesses Laune wurde schlagartig schlechter. Doch konnte er das gut verbergen. „Sie haben keine Handynummer von
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