Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
Meinhold trat an den Ford heran und schaute hinein. Im Kofferraum konnte sie unter der nicht ganz geschlossenen Abdeckung einen zerschnittenen Kabelbinder sehen. Augenblicklich erschrak sie und trat zurück von dem Auto.
Bündgen war mit Kabelbindern gefesselt worden. Nur an den Füßen hatte Hesse den Mann vor der Freilassung von den Fesseln befreit. Sie schaute zum Fenster von Frau Hesses Eltern hoch, doch es war dort niemand zu sehen. Meinhold zog sich zurück, ging zurück zu ihrem Opel, setzte sich hinein und rief Hell an. Das Telefon klingelte. Er ging dran.
„Hallo Chef, ich bin vor der Wohnung von Hesses Frau. Und ich habe dort einen Ford Kuga gesehen. Das Kennzeichen stimmt nicht, aber im Kofferraum liegt ein zerschnittener Kabelbinder. Mehr kann ich nicht sehen. Die Farbe stimmt auch, sonst ist nichts in dem Auto zu sehen. Er sieht fast gesäubert aus.“
„Die Kennzeichen könnten getauscht sein. Hesse würde es ähnlich sehen so etwas zu tun. Wir müssen den Wagen sicherstellen und untersuchen. Bleib Sie vor Ort und achten sie auf den Fahrer. Wenn sie Hesse sehen sollten, keine Alleingänge, Meinhold. Bleiben Sie dran und schlagen Alarm. Wir gehen da mit dem ganz großen Besteck dran.“
„Ja, Chef, in Ordnung.“
„Versprochen?“
„Ja.“
Meinhold rutschte in ihrem Sitz in eine bequeme Stellung. Das große Besteck bedeutete den gemeinsamen Einsatz von SEK und Polizei. Für einen kurzen Moment wünschte sie sich, dass es ein ganz normaler Fahrer sein würde. Doch dann kam der Wunsch durch, den Mann endlich aus dem Verkehr zu ziehen. Er hatte die Polizei immer wieder dumm aussehen lassen, hatte Menschen ermordet und verstümmelt. Auch wenn sie teilweise Sympathie für seine Motive empfinden konnte, so wollte sie keine Sympathie für seine Taten aufbringen. Mord war nie eine Lösung. Vier Familien hatte er ins Unglück gestürzt, seine eigene nicht eingeschlossen.
Sie blickte zu dem im Schatten liegenden Hauseingang hinüber. Nichts tat sich. Dann bemerkte sie einen Schatten in dem Fenster, was zum Wohnzimmer gehören musste. Der Schatten verschwand. Wieder eine Weile lang nichts. Um die eigene Angespanntheit zu bekämpfen, suchte sie nach einem Sender im Radio, der irgendwelche leichte Musik brachte. Musik lenkte sie ab. Brach die Anspannung. Dann ging die Haustüre auf. Eine Frau trat hinaus. Es war nicht die Frau Hesses. Meinholds Puls ging rasend schnell in die Höhe. Sie fühlte ihre Halsschlagader pochen. Die Frau ging die Straße hinunter, verschwand hinter dem Ford Kuga, tauchte dann wieder auf und ging weiter die Straße entlang. Unbedenklich. Ihr Puls beruhigte sich nicht. Wenn es Hesse war, was dann? Würde sie wirklich brav die Kollegen rufen und abwarten? Wenn er sie erkennen würde, was dann? Warum sollte er sie erkennen? So weit, wie sie von der Türe weg stand mit ihrem Auto. Sie verwarf den Gedanken und lauschte der Musik. Es lief gerade ‚Sand and sky‘ von Paul Kalkbrenner. Die Türe öffnete sich erneut. Es kam ein Kind an die Türe. Meinhold erkannte sofort Hesses Tochter Marie. Dahinter tauchte die Mutter auf. Irgendwie schien sie sehr angespannt. Das Kind dagegen hüpfte auf und ab. Es war fröhlich. Die Mutter trat beiseite und ein schwarz gekleideter Mann war zu sehen. Obwohl der Eingang im Schatten lag, erkannte sie sofort, dass es Hesse war. Er war es! Eine Hand am Radio. Leiser. Die andere am Handy. Kurzwahl Hell. Herz pochte zum Hals hinaus.
„Er ist es, Chef. Es ist Hesse.“ Sie sprach leise, als könne der Mann sie hören.
„Wahnsinn, dran bleiben, nichts riskieren. Endlich. Ich schlage Alarm. Das SEK steht in den Startlöchern. Ich stehe hier mit Klauk. Wendt pfeife ich augenblicklich zurück. Er war im Begriff zu den Eltern zu fahren. Bleiben Sie ruhig, Kind.“ Meinhold drückte auf die rote Taste.
Sie verzieh ihm in dem Moment sogar den Ausdruck ‚Kind‘. Hesse drehte sich um, schaute die Straße entlang. Sein Blick glitt an ihrem Auto vorbei, schien sie nicht zu bemerken. Er ging auf den Kuga zu. Seine Frau blickte ihm hinterher. Sie schien zu weinen.
Meinhold erstarrte. Der Puls schlug erneut bis zum Hals. Wenn die Frau jetzt herüberschaute und sie erkannte. Sie griff instinktiv nach ihrer Waffe, nahm sie aus dem Holster, entsicherte sie und legte sie zwischen ihre Beine. Voll gegen die Vorschrift, dachte sie. Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Die Blinker des Kuga zuckten, Hesse öffnete die Fahrertüre und stieg ein. Hesses Frau
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