Oliver Hell - Das zweite Kreuz
mir eine andere. Die war zwar noch bewohnt, aber wir durften hinein. Ein Traum sage ich dir. Hohe Decken und Fenster, Parkettboden. Küche kann ich übernehmen. Perfekt!“
Ihre Stimme jubilierte beinahe und sie klopfte vor Freude im Takt des Blaulichts auf das Lenkrad. „Und das Beste, sie liegt genau gegenüber der Wohnung von Christina. Wir brauchen kein Telefon mehr. Lautes Rufen reicht.“
Mit einem Blick zur Seite konnte Klauk die diebische Freude in ihren Augen sehen.
„ Super, Lea. Das freut mich für dich.“
Rosin bog gerade von der Königswinterer Straße in die Siegburger Straße ein.
„ Und mich erst!“
*
Wendt flog die Treppenstufen im Präsidium hoch. Hell hatte ihn informiert, dass er Corinna Adelberg in Gewahrsam genommen hatte. Jetzt wartete die Frau im Verhörzimmer.
Auf dem Weg zu ihnen holte er sich einen Kaffee aus dem Automaten. Wieso bietet dieses Ding eigentlich keinen Energy-Drink an? Er tröstete sich mit den Gedanken, dass es im neuen Präsidium sicher einen besser sortierten Getränkeautomaten geben würde als hier. Im Moment musste der stärkste Automatenkaffee ausreichen. Er zog den Becher hervor, trank einen großen Schluck und ging dann in Richtung des Verhörzimmers weiter. Er öffnete die Türe zum Nebenraum und fand dort Hell und Dr. Leck vor.
„ Hallo, Lea und Sebastian sind auf dem Weg nach Bonn-Pützchen. Da ist die nächste Koordinate. Er hatte sie zur Abwechslung auf einer Parkbank eingeritzt“, sagte Wendt ohne große Begrüßungsfloskeln.
„ Der hat echt Nerven“, bestätigte Hell.
„ Und Zeit. Vielleicht war sie es“, sagte Franziska Leck und machte eine Kopfbewegung zu Frau Adelberg hin, die hinter der Glasscheibe scheinbar seelenruhig abwartend an dem Verhörtisch saß.
„ Alles möglich, nach der Nummer im DLR.“
„ Habt ihr Männer was dagegen, wenn ich es zuerst alleine versuche?“, fragte sie und suchte die Blicke der beiden Männer.
„ Sicher.“ Hell nickte ihr aufmunternd zu. Er reichte ihr die Mappe, die er in der Hand hielt.
Sie lächelte kurz und verließ den Vorraum. Wendt drehte den Schalter neben der Durchsichtscheibe auf ‚Mithören‘.
Kurz drauf betrat Dr. Leck den Raum. In der Hand hielt sie ein Diktiergerät.
Sie hatte die Türe noch nicht ganz geschlossen, als sie Corinna Adelberg mit der Frage bombardierte: „Gibt es in ihrem Leben noch einen Menschen, den sie lieben?“
Frau Adelberg blickte erstaunt.
„ Warum fragen Sie mich das?“
„ Weil ich eine Antwort hören möchte.“
Corinna Adelberg überlegte.
„ Mein Mann ist ermordet worden, mein Sohn wird sterben. Nein, neben diesen beiden gibt es niemanden mehr.“
Franziska Leck wartete nicht lange, bis sie die nächste Frage stellte.
„ Denken Sie, dass Rosalie Lindemann und Heinz-Theo Walters noch Menschen haben, die sie lieben?“
„ Was gehen mich diese beiden an?“
„ Ihr Sohn hat sie entführt. Was denken sie, ist ihr Sohn für ein Mensch? Glauben Sie, dass er ein Sadist ist?“
Frau Adelberg zuckte zusammen.
„ Mein Sohn? Mein Sohn ist kein Sadist. Er ist ein friedfertiger Mensch.“ Diese Worte klangen nach tiefster Überzeugung.
Dr. Leck öffnete die Aktenmappe und legte mit Schwung die Fotos darin der Frau vor die Nase. Sie zeigten Detailfotos von der Leiche Karsten Olbrichs.
Unwillkürlich schaute Corinna Adelberg auf die Bilder.
„ Das hier hat ihr Sohn getan. Schauen Sie hin. Das ist das Werk eines Teufels, eines Sadisten. Das haben sie unterstützt. Das unterstützen Sie immer noch. Sie kennen ihren Sohn nicht. Nein, das tun Sie nicht!“
Ihr echauffierter Tonfall war reines Kalkül. Sie wollte ihr Gegenüber aus der Reserve locken.
„ Das war nicht mein Sohn, nein!“
„ Und ob er das war. Seine Fingerabdrücke haben wir gefunden, ebenso seine DNA-Spuren. IHR Sohn ist ein Killer!“
Leck musterte sie. Die Frau wich ihrem Blick aus.
Noch schien der Widerstand nicht gebrochen.
„ Wollen Sie, dass er so etwas wieder tut? Wollen Sie das?“
Sie schob eines der Bilder so, dass sie es ansehen musste, obwohl ihr Kopf zur Seite geneigt war.
„ Wollen Sie daran schuld sein?“
In ihrem Blick löste sich etwas. War es eine Anspannung oder was auch immer.
Plötzlich sagte sie leise: „Nein.“
„ Was nein?“, fragte Dr. Leck und beugte sich vehement nach vorne.
„ Wo ist ihr Sohn und wo hält er seine Geiseln fest, Frau Adelberg?“
„ Ich weiß es nicht. Ehrlich. Er hat es mir verschwiegen. Er sagte nur, dass
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