Oliver Hell - Das zweite Kreuz
geschickt hatte.
„ Wir müssen noch den anderen Raum untersuchen, wenn einer von Ihnen bei der Geisel bleibt?“ Hell zeigte auf die offenstehende Türe.
Der kleinere der beiden nickte, und ging hinein.
Wendt zog wieder seine Waffe und horchte an der Türe.
Stille.
Er schüttelte den Kopf.
Hell gab das Zeichen, die Türe zu öffnen.
Langsam fasste er mit der linken Hand die Klinke.
Was in den nächsten Sekunden passierte, brannte sich in die Gehirne der beiden Kriminalpolizisten ein. Wendt dachte noch oft und lange darüber nach, ob er etwas hätte anders machen können, doch jedes Mal kam er nur zu einer Antwort: NEIN!“
Er drückte die Klinke nieder. Bruchteile einer Sekunde später hörte man ein lautes Getöse.
Einen erstickten Schrei.
Nichts mehr.
Wendt erstarrte.
Dann schrie er seine Verzweiflung hinaus. „Du elendes Schwein!“
Mit einem heftigen Tritt flog die Türe auf. Sie krachte in die Angeln.
Wendt leuchtete mit seiner Lampe in den Raum.
Eine Szenerie wie aus einem billigen Horrorfilm.
Dort lag ein Mensch.
Auf dem Bauch.
Mit ausgestreckten Armen.
Und man sah so etwas wie einen Lattenrost.
Der Mensch war in diesem Lattenrost verwoben.
S-Draht.
Wieder dieser S-Draht! Wie bei Olbrichs!
Wendt suchte den Schalter. Fand ihn und schaltete das Licht an.
Die Neonröhren flackerten. Sie gingen an, wieder aus und wieder kurz an. Hell und Wendt konnten nicht exakt sehen, was sich noch alles in dem Raum befand. Wie bei einem Stroboskoplicht.
Dann startete der Funke das Edelgas.
Den beiden Beamten gefror das Blut in den Adern, als sie das ganze Ausmaß des Grauens wahrnahmen.
Aus dem Rücken des Mannes ragten drei spitze Spieße hervor. Einer auf Höhe des Halses, einer in Herzhöhe, der andere in der Magengegend.
Hell hatte sich als Erster gefangen und sprang zu dem Mann hin. Er musste aufpassen, sich nicht an dem rasiermesserscharfen S-Draht zu verletzen.
Hektisch ertastete er den Puls.
Vergebens.
Heinz-Theo Walters war tot.
„ Wo ist dieser Dreckskerl? Wo ist er?“, fragte Wendt wutschnaubend. Mit bloßer Faust hämmerte er auf die Betonwand ein. So aufgewühlt hatte Hell seinen Kollegen noch nie erlebt.
„ Bleib ruhig, wir kriegen ihn!“
Im ersten Impuls hätte Hell seinen Kollegen am liebsten ins Freie geführt, damit er frische Luft schnappen konnte. Doch dann tat er es nicht.
Stattdessen betrachtete er die Konstruktion, mit der Adelberg diese ebenso effektive wie widerwärtige Todesmaschine aufgebaut hatte. Ihm war nicht klar, wie er den Raum verlassen konnte, ohne die Maschine selber auszulösen. Das würde sein Geheimnis bleiben. An der Türklinke hatte er einen Haken angebracht, der einmal gelöst, das Kabel freigab. Dieses Kabel führte hinter den Lattenrost. Dort hielten zwei Haken den Lattenrost in der Waage.
In dem Moment, als Wendt die Klinke bewegte, spannte sich der Draht und löste die Halterung aus. Der Lattenrost fiel nach vorne. Der daran gefesselte Mensch hatte keine Chance sich gegen seinen Tod zu wehren. Einer der Spieße durchbohrte seine Kehle, der mittlere das Herz, der dritte drang in den Magen ein. Sehr effektiv. Selbst wenn sofort ein Notarzt vor Ort gewesen wäre, Walters hätte nicht gerettet werden können.
„ Beruhige dich Jan-Philipp, keiner konnte das ahnen. Schau dir das an. Ich weiß nicht, wie der Kerl das gemacht hat, aber es war todsicher.“
Wendt starrte weiter die Wand an.
„ Es ist mir egal. Ich hätte warten müssen.“
„ Worauf?“
Seine Augen waren pure Verzweiflung.
Klauk hatte das Gespräch der beiden mit angehört. Wie angewurzelt stand er in der Türe. Die Nackenhaare stellten sich ihm auf. Der Blick wurde von der Todesmaschine, die Adelberg ersonnen hatte, magisch angezogen.
Der Reiz des Grauens.
Er schaute nach rechts, sah Wendt dort stehen. Der kaute sich auf der Unterlippe, fuhr sich dann mit der Hand über den Mund.
„ Die SEK-Leute haben das ganze Haus untersucht. Adelberg ist verschwunden. Der Besitzerin geht es den Umständen entsprechend. Der Notarzt kümmert sich um sie. Ein weiterer Arzt ist bei Rosalie Lindemann. Sie ist noch nicht wieder zu sich gekommen“, sagte Klauk schließlich.
Er betrat den Horrorraum. Es bildete sich eine große Lache Blut unter dem Toten. Langsam floss das Blut in Richtung Türe.
„ Wie in einem Gruselschocker. Was hat Adelberg für Phantasien.“
Wendt drehte sich abrupt um.
„ Was er für Phantasien hat? Weißt Du was Sebi, das ist mir
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