Oliver Hell - Das zweite Kreuz
Vorfall im Hause Lindemann.
„ Na dann ist es kein Wunder, wenn der so drauf ist. Aber mal ehrlich, wenn er einen Arsch in der Hose gehabt hätte, dann hätte er die bereits angelaufene Ermittlung bei Olbrichs weiterlaufen lassen. Wo gibt’s denn so was?“, fragte Klauk. Er schüttelte den Kopf und kramte einen Stadtplan vom Beistelltisch.
Er stand auf und pinnte den Stadtplan von Bonn an die Wand des Besprechungsraumes. Mit einer roten Nadel markierte er den ersten Punkt in der Rheinaue, mit einer Zweiten das Forsthaus Venne.
„ Ist denn schon wieder eine Telefonüberwachung angeleiert?“, fragte Hell und beobachtete Klauk bei seinem Tun. Rosin stellte eine Tasse mit schal gewordenem Kaffee auf den Tisch ab.
„ Pah“, sagte sie.
„ Ja, die KTU ist wieder dort. Aber mal ganz unter uns: Wer denkt denn, dass es sich hier um eine finanziell motivierte Entführung handelt?“
Rosin zuckte mit den Schultern.
„ Ja, da bin ich auch mal gespannt, ob da jemand anruft. Ich zweifele daran.“ Für Hell schien die Aussichtslosigkeit des Unterfangens beinahe greifbar.
Klauk betrachtete weiter mit verschränkten Armen die Karte, die vor ihm an der Wand hing. Aber solange er auch darauf starrte, die beiden Punkte hatten nichts Gemeinsames. Auch verband sie nichts Geschichtliches. Nur Sekunden später fluchte er leise vor sich hin.
„ So ein Mist, was will uns dieser Entführer nur mitteilen? Ich kann es nicht ausmachen!“, rief er wütend.
Hell brauchte alles, aber keine tobenden Ermittler.
„ Streng dich lieber an, Sebi, und finde heraus, was uns der Entführer mit seinen Hinweisen sagen will. Warum GPS? Warum gerade diese beiden Stellen? Warum die Zigarrenkiste? Warum die Späne? Warum die Kondomverpackung? Warum die falschen Nägel? Warum der Mercedes in der Garage? Warum der Staub auf dem Auto? Lasst uns das Mal alles auf die Wand bringen und jeder sagt etwas dazu.“
Schon sprang er auf und holte aus seinem Büro ein Flipchart und rollte es in den Besprechungsraum. Aus der Jacketttasche zog er ungelenk zwei Flipchart-Marker und legte sie vor Klauk und Rosin auf den Tisch.
„ Los!“
Das Team funktionierte. Nachdem sie den emotionalen Ausbruch ihres Chefs verdaut hatten, ging alles ganz schnell. Klauk hatte bereits gedanklich vorgearbeitet.
„ Wie wir wissen, hatte Olbrichs ein Beerdigungsinstitut mit angeschlossener Schreinerei. Dafür sprechen die Holzspäne. Aber wofür steht die Zigarrenkiste? Ich habe keine Ahnung.“
„ Wir hatten ja gesagt, dass Kondompackung und falsche Fingernägel auf eine Vergangenheit als Prostituierte hinweisen könnten. Wir müssen in der Vergangenheit von Frau Lindemann recherchieren, ob sich dort etwas in der Richtung ergibt. Ich hatte noch nicht genug Zeit, seitdem ich von dort zurückgekommen bin. Wenn ich ehrlich bin, ich kann es mir bei der Dame nicht vorstellen.“
Klauk stand immer noch vor dem Stadtplan. Er wippte auf und ab. „Wir können uns auch gerne zusammen drum kümmern, nachher“, sagte er mit einem kurzen Seitenblick auf Lea.
„ Ja, gerne.“
„ Ich kann mir aber keinen Reim auf die GPS-Daten machen“, sagte er und setzte sich wieder zu den Kollegen an den Tisch. Wofür stehen diese Daten? Wer nutzt sie hauptsächlich?“
„ Vielleicht ist der Entführer ein Geo-Cacher“, sagte Lea Rosin, „Das ist doch in den letzten Jahren sehr populär geworden.“
„ Stimmt. Es hat schon etwas von Schatzsuche. Mit jedem Puzzleteil kommen wir dem Rätsel ein Stück mehr auf die Spur“, antwortete Hell.
Klauk und Rosin wunderte es, dass ihr Chef wusste, was Geo-Caching war. Aber so alt und vertrottelt, dass alle modernen Freizeitbeschäftigungen an ihm vorbeigingen, war er ja nun auch wieder nicht.
„ Die Frage ist aber doch, warum schickt er uns die Sachen nicht per Post zu? Er nutzt sie ja für die Briefzustellung“, bemerkte Hell und faltete seine Hände vor dem Gesicht.
„ Stimmt, der Bruch ist es, der es so rätselhaft macht. Einmal das Alte: Schreibmaschine, altes Papier, Fotos, die vom Negativ kommen, kombiniert mit dem modernen Geo-Caching. Das will uns auf etwas aufmerksam machen. Die Frage ist nur: worauf?“ Lea setzte ihr spitzbübisches Lächeln auf. Ein wenig kaschierte sie damit ihre Ahnungslosigkeit.
„ Wir müssen erst einmal abwarten, was die KTU noch alles herausfindet. Chef, wann war die Pressekonferenz?“, fragte er und tippte auf seine Armbanduhr.
„ Oh ja, stimmt. Mensch, das hätte ich ja beinahe vergessen. Oder
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