Oliver Hell - Das zweite Kreuz
einige heftige Schrammen durch den Sturz davongetragen hatte. Er lud einige Fotos in eine Mail und schickte sie an die Kollegen, ebenso an die Kollegen der KTU mit der Bitte, sich noch einmal auf dem Friedhof umzusehen. Den Plastikbeutel mit der neuen Botschaft würde er selber zur Untersuchung bringen.
Klauk dankte insgeheim seinem Schnupfen. Ohne die Suche nach dem Mülleimer für das vollgerotzte Taschentuch wäre er nie auf den Geistesblitz mit dem Schubkarrenfahrer gekommen.
*
Tim Wrobel fiel auf, wie intensiv Lea Rosin sich mit dem Inhalt der Plastiktüte befasste. Sie blickte Dennis Seib über die Schulter. Der nahm gerade die Fingerabdrücke von der Tüte. Schließlich öffnete er die Tüte. Rosin scharrte ungeduldig mit den Hufen. Sie wollte wissen, was es diesmal für eine Botschaft war, die ihnen der Entführer schickte.
„ Er ist auf jeden Fall schon von seinem bisherigen Vorgehen abgewichen“, sagte Wendt aus dem Hintergrund.
„ Ja, stimmt“, murmelte Klauk, mal wieder mit einem Taschentuch in der Hand.
„ Wenn ich es richtig sehe, dann hat er bisher immer den Brief einen Tag vorher abgeschickt und die Entführung dann erst begangen. Stimmt’s?“
Klauk nickte. Sie standen beide Seib und Rosin gegenüber. Am Untersuchungstisch.
„ In dem Brief war ein Zettel mit den Koordinaten? Sonst nichts?“
Klauk nickte wieder. „Ja, wir hatten jeweils einen Zettel mit den Koordinaten. Wenn wir hinkamen, dann fanden wir dort einmal die Kiste und die Plastiktüte.“
„ Jetzt ist es anders. Er hat die Koordinaten geschickt und einen Hinweis auf den Grund der Entführung. Warum tut er das?“
„ Vielleicht bedeutet das, der Verräter - nennen wir ihn mal so - ist ihm besonders wichtig. Er bekommt quasi einen Ehrenplatz“, scherzte Rosin.
Die drei Männer lachten. „Und wir haben noch keine neue Meldung über einen Entführungsfall erhalten?“, fragte Klauk.
„ Bisher nicht“, antwortete Wendt ungeduldig, „Was ist denn jetzt in dieser Scheiß-Tüte drin? Macht es doch nicht so spannend.“
Seib feixte. „Immer diese Ungeduld!“
In der Plastiktüte befand sich eine weitere Tüte. Eine kleinere. Auch hier nahm Seib akribisch, wie es sein musste, die Fingerabdrücke.
Nichts.
Er nahm ein Skalpell und schlitzte die Tüte auf. Mit einer Pinzette öffnete er sie vorsichtig auf der schmalen Seite. Nahm den Inhalt heraus. Es war ein Quartett. Ein Auto-Quartett. Er hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger hoch. „Ein Quartett? Wer hat so etwas heute noch? Wer spielt noch Auto-Quartett?“, fragte Seib.
„ Heute? Keiner. Mach es auf. Ich wette, ich weiß, was darin liegt“, sagte Klauk. Er war sich zu einhundert Prozent sicher. Ein Mercedes Strich-Acht. Baujahr neunzehnhundertdreiundsiebzig.
Seib pinselte das Plastikgehäuse des Quartetts mit Graphitpuder ein. Wie erwartet gab es keine Fingerabdrücke. Die Ungeduld wuchs. Vier Augenpaare beobachteten jeden einzelnen seiner Handgriffe.
Er hob den durchsichtigen Plastikdeckel an. Das Deckblatt des Quartetts war daran befestigt. Seib legte es neben den grauen, unteren Plastikboden.
Klauk hatte Recht, darin lag nur eine einzige Karte. Ein Mercedes. Weiß. Strich-Acht. Neunzehnhundertdreiundsiebzig.
Bingo dachte Klauk.
*
Der Mann war in den Sechzigern, für sein Alter in einer guten körperlichen Verfassung. Seit einer guten Stunde war er mit moderatem Tempo durch den Wald gelaufen. Er empfand seine Form als zufriedenstellend. Das verriet ihm ein Blick auf seine Puls Uhr, die er am Handgelenk trug.
Der Matsch, den der Schnee der letzten Tage auf dem Waldboden hinterlassen hatte, störte ihn nicht. Er würde seine Schuhe wechseln. Damit der Innenraum seines Porsches nicht verschmutzt würde, machte er das immer so. Im Kofferraum des Luxuswagens lag ein identisches Paar Schuhe. Er fasste sich an die Tasche der Jogginghose. Dort befand sich sein Autoschlüssel. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Parkplatz im Kottenforst. Langsam trudelte er aus.
Plötzlich wurde er angesprochen. Von einem Mann, der kurz hinter ihm lief. Ihm war er bis zu diesem Moment gar nicht aufgefallen.
„ Entschuldigung, Sie haben da etwas verloren“, hechelte der Mann.
Doktor Heinz-Theo Walters wurde langsamer und stoppte.
„ Was? Kann nicht sein. Wie kommen Sie darauf?“, fragte der Arzt.
Er war für einen Moment irritiert und schaute den Mann an. Es war ein Fremder. Er hielt ihm einen kleinen Beutel hin. Der Mann lächelte freundlich.
„ Sehr nett von
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