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Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Titel: Oliver Hell - Das zweite Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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kannte die Krähe nur zu gut. Doch es fehlte etwas. Der Geruch war nicht wie sonst. Sie schüttelte ihr klammes Gefieder und stieß einen kehligen Laut aus.
     

    Die Krähe hüpfte auf einen anderen Ast. Von dort sah sie, wie sich eine blonde Frau dem geöffneten Grab näherte.
     

    Doktor Stephanie Beisiegel war gespannt, was sie erwarten würde. Gauernack hatte sie noch am Vorabend informiert und gebeten, anwesend zu sein, sofern es ihr zeitlich möglich war. Sie hatte zugesagt.
    Der Bagger hatte seine Arbeit erledigt. Jetzt stiegen zwei Mitarbeiter des Friedhofsamtes mit Schaufeln in das Grab. Die Baggerschaufel war tatsächlich auf Holz gestoßen. Sie kratzten mit den Schaufeln vorsichtig etwas Erde beiseite, arbeiteten dann mit Maurerkellen weiter. Plötzlich gab es ein scharfes, metallisches Geräusch. Auch der zweite Arbeiter stieß mit seiner Kelle auf Metall.
    „ Da ist Metall unter dem Holz. Das Holz ist nahezu verrottet“, sagte einer der Arbeiter.
    „ Bei diesem Fall scheint nichts so zu sein, wie man es gewohnt ist“, nuschelte Gauernack zu Hell herüber, nachdem ihnen diese neue Entwicklung bewusst geworden war.
    Hell und Gauernack traten zu Beisiegel an das Grab. Auch Wendt und Klauk kamen auf der anderen Seite hinzu.
    „ Wer macht so etwas?“, fragte Klauk leise vor sich hin.
    „ Was?“
    „ Wer lässt seinen Sarg mit Metall auskleiden?“, formulierte Klauk seine Frage genauer. Wendt zuckte nur mit den Schultern.
    Er beobachtete einen großen, schwarzen Vogel, der auf einem Grabkreuz ganz in der Nähe saß. Der Vogel, den er als Krähe identifizierte, schien die Arbeiten zu beobachten. Jetzt legte er den Kopf schief und schielte zu Wendt herüber.
     

    Der Baggerfahrer gab den Arbeitern die Anweisung, den Sarg soweit von der Erde zu befreien, dass er ihn mit der Baggerschaufel und ein paar Stahlseilen aus der Erde ziehen konnte. Sie arbeiteten vorsichtig weiter und schaufelten die Erde aus dem Grab.
    Nach geraumer Zeit konnte man den Sarg mit der Schaufel des Baggers vorsichtig bewegen und die Stahlseile darunter hindurchziehen. Die Arbeiter hängten die Schlaufen der Seile in die Spitzen der Baggerschaufel.
    Alle traten einige Schritte zurück. Die Seile spannten sich. Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich der Sarg aus der Erde. Sekunden später schwebte er in Brusthöhe der Beamten und wurde langsam auf den bereitgestellten Wagen der Gerichtsmedizin heruntergelassen.
    Dr. Beisiegel hob die Hände und signalisierte dem Baggerfahrer, den Sarg nicht abzusetzen. Der Wagen würde das Gewicht des schweren Sarges nicht tragen können.
    Sie trat an den Bagger heran. „Lassen Sie den Sarg bitte auf den Boden ab“, rief sie.
    Der Mann sagte etwas und der Bagger schwenkte herum. Der Sarg machte diese ruckartige Bewegung nicht mit und schwang hin und her. Als er ausgependelt hatte, ließ der Baggerfahrer den Sarg zu Boden. Sanft setzte der Sarg auf. Die Seile glitten zur Seite. Die beiden Arbeiter lösten sie.
    Dr. Beisiegel kniete sich und untersuchte den Sarg. „Das habe ich mir gedacht. Der ist noch verschraubt“, sagte sie und stand wieder auf.
    „ Hat jemand etwas zum Schrauben dabei?“
    Einer der Arbeiter nickte und kam nach ein paar Sekunden mit einem Schraubenzieher wieder zurück. Er kniete sich neben den Sarg. Zur Verwunderung der Anwesenden lösten sie sich ohne Probleme.
    Gauernack wurde langsam zappelig. Es ging ihm alles zu langsam.
    Als der Mann alle Schrauben gelöst hatte, stand er auf. Mit den Schrauben in der Hand schaute er von einem Polizisten zum nächsten.
    Eine Welle, gemischt aus gespannter Vermutung und innerer Befindlichkeit, schwappte über dem Ort.
    „ Wenn die Herren vielleicht mal mit anfassen würden?“, sagte Dr. Beisiegel. Der Staatsanwalt, Hell, Klauk und auch Wendt hatten dem Mann bei der Arbeit zugeschaut. Sie waren so gespannt zu erfahren, was sie nun erwartete, dass sie regungslos verharrten. Solange bis die Gerichtsmedizinerin sie ansprach.
    „ Aber sicher, natürlich“, sagte Hell und nahm eine Ecke des Sargdeckels in die Hand. Die anderen Beamten taten es ihm nach. Langsam hoben sie den Deckel an.
    Jeder hatte mit einer vollkommen verwesten Leiche, vielleicht ein paar ausgebleichten Knochen, einem kahlen Totenschädel gerechnet. Nach einer so langen Liegezeit wäre das zu erwarten gewesen.
    Nichts davon war zu sehen. Sie traten mit dem Deckel in der Hand einen Schritt zur Seite. Völlig überrascht über das, was sich ihnen nun offenbarte,

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