Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Rechnung kam er auf ungefähr zwanzig Quadratmeter.
Der Fuß boden war glatt wie die Wände. Nichts lag dort, was irgendeinen Rückschluss zugelassen hätte. Aber auch nichts, was er hätte nutzen können, um die Kabelbinder zu durchtrennen. Er konnte sich wenigstens sicher sein, dass niemand außer ihm sich in dem Raum befand.
Nachdem er mit der systematischen Vermessung des Raumes fertig war, ü berlegte er, was er tun sollte. Gefesselt konnte er nichts ausrichten. Ein Überraschungsangriff auf den Ersten, der die Türe öffnen würde, kam nicht in Frage. Oder doch? Er hatte eine Idee.
Hell robbte zur Tü re hinüber.
*
Gegen einundzwanzig Uhr bekam Wendt die Nachricht, dass Frau Bernwald mit Dr. Leck und Christoph Hell sicher in ihrem Versteck angekommen waren.
Sie hielten sich zu dem Zeitpunkt alle drei in der Gerichtsmedizin auf. Das Warten im Prä sidium hatte sie zermürbt. Klauk stand als Erster auf. Er sagte, er würde jetzt zur Gerichtsmedizin fahren. Die anderen folgten ihm sofort.
Die KTU hatte den VW-Passat untersucht. Sie mussten so lange warten, bis der Stahl abgekü hlt war. Auch war es nicht möglich, den Toten von dem Fahrersitz zu lösen. Durch die enorme Hitze war der Körper mit dem restlichen Material des Sitzes zusammengebacken.
Sie bauten den Sitz aus und transportierten ihn zusammen mit dem Toten in die Gerichtsmedizin. Dr. Beisiegel hatte ihr OK gegeben.
Seit einer halben Stunde untersuchte sie den Toten, der nun mitsamt dem Sitz auf ihrem Untersuchungstisch stand. Sie hatte den drei Kollegen, die wie gebannt auf den Toten starrten, gesagt, dass sie sich sehr sicher war, der Tote sei nicht Oliver Hell.
Skeptisch hatten sie zuerst noch reagiert, dann aber ü berwog die Freude.
Fü r Lea Rosin war es die erste derart verbrannte Leiche, die sie sah. Und dann gleich auch noch auf so eine skurrile Art.
Es sah grotesk aus, wie der Tote mit dem Stahlgestell, was einmal ein Autositz gewesen war, auf dem Obduktionstisch stand. Den Kopf hatte er zu seiner linken Schulter geneigt, der Kiefer hing unnatürlich weit nach unten und drohte herauszufallen. Das tat er natürlich nicht. Rosin betrachtete den Toten wie ein Studienobjekt.
„ Wie kann jemand in so kurzer Zeit so verbrennen?“, fragte sie. Zu gern hätte sie ihn angefasst, traute sich aber nicht.
„ Da muss eine unglaubliche Hitze geherrscht haben. Ich denke, sie haben ihn mit Brandbeschleuniger getränkt. Riechen Sie mal dran“, antwortete Dr. Beisiegel.
Rosin zö gerte. Schaute sich nach den anderen um. Dann kam sie näher und roch am Arm des Toten.
„ Stimmt, riecht nach Benzin oder was Ähnlichem.“
„ Wie ich eben schon gesagt habe, es kann nicht Oliver Hell sein“, sagte sie, „Schauen Sie hier. Der Mann hatte sehr schlechte Zähne. Die hinteren Backenzähne fehlen komplett. Oben und unten. Hell geht zweimal im Jahr zum Zahnarzt. Das weiß ich genau. Dazu kommt noch die Kopfform, die eher die eines Vorderasiaten ist.“
„ Woran ist er gestorben?“, fragte Wendt.
Dr. Leck machte eine Handb ewegung um die drei Beamten vor den sitzenden Mann zu holen.
„ Hier ist das Einschussloch. Durch die Hitze ist es kaum noch zu erkennen. Aber, Moment …“, sagte sie und fuhr mit einer spitzen Pinzette in den Wundkanal. Es gab ein Geräusch, als würde man in ein verbranntes Steak mit einem Messer fahren. Sie bewegte die Pinzette hin und her und zog sie dann mit einem Ruck wieder hervor.
„ Guter Schuss, Herr Kommissar.“ Triumphierend hielt sie den Dreien die Kugel vor die Nase. Die Drei stierten darauf.
„ Jede Wette, dass die KTU Hells Waffe als die Waffe identifiziert, mit der auf den hier geschossen wurde.“ Sie nickte zu dem Toten herüber, ließ die Kugel in eine Aluminiumschale fallen. Sie machte ein metallenes Geräusch und rollte darin herum, als sie die Schale auf den Tisch neben sich abstellte.
„ Auch wenn ich Ihnen glaube, Frau Doktor, richtig beruhigt, bin ich erst, wenn wir das Ergebnis der DNA-Analyse vorliegen haben“, sagte Klauk.
„ Schon gut, ich bin Ihnen deshalb nicht böse“, antwortete sie, „Viel mehr beschäftigt mich die Frage, wie wir den hier von dem Stuhl herunter bekommen.“
Sie stand dort und legte die Stirn in Falten.
„Sorry, aber da können wir Ihnen nicht helfen. Wie löst man denn sonst menschliches Gewebe, wenn es sich so präsentiert?“, fragte Wendt.
„ Es gibt da Chemikalien, das ist nicht das Problem. Das Problem ist der Fahrersitz. Aber ich will Sie nicht
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