Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
machte ein Zeichen mit der linken Hand, spreizte Daumen und kleinen Finger ab, und hielt sich die Hand ans Ohr.
Die Tür schloss sich wieder. Leise.
Wendt war wieder alleine mit seinem Frust. Nichts konnte ihm weiterhelfen. Er verspü rte nicht die geringste Lust, sich an die Anweisungen von Gauernack zu halten. Er grübelte. Es gab eine weitere Verbindung nach Frankfurt. Wenn er doch nur Behrend kontaktieren könnte.
Wenn Klauk und Rosin angekommen waren, wü rden sie Mamedov einen Besuch abstatten. Allein um das Alibi des Mannes zu überprüfen. Sie sollten nicht denken, dass sie mit der Entführung durchkommen könnten.
Wendt wä hlte die Nummer des BKA.
*
Als sie sich an diesem Morgen im Spiegel betrachtete, machte sich ein Gefühl der Verzweiflung breit. Seitdem sie wusste, dass sie ihren Beruf aller Voraussicht nach nicht mehr würde ausüben dürfen, war sie sehr nachdenklich. Im Zimmer an der Wand hing ein Fotokalender. Sie schaute auf den Monat November. Ein Schneefoto. Im Hintergrund hohe Berge. Sie hob das Blatt an und schaute sich das Foto im Dezember an. Schnee, eine Weide, ein Bach im Vordergrund mit vereisten Rändern. Blauer Himmel. Carola Pütz ließ das Kalenderblatt los und schaute aus dem Fenster. Grauer Himmel, tiefhängende Wolken. Kein Schnee. Trostlosigkeit.
Seit gestern hatte sie keine Verbindung mehr zu der piependen Maschine im Hintergrund. Sie stand auch nicht mehr dort, eine Krankenschwester hatte sie hinausgeschoben, und frohlockt, dass sie sich glü cklich schätzen konnte, so schnell von der Maschine loszukommen. Nach so einer kurzen Zeit sei das nicht üblich. Sie lächelte, weil sie dachte, sie könne Dr. Pütz damit aufheitern. Die Medizinerin tat ihr den Gefallen. Schenkte ihr ein Lächeln.
Ihr ging es gut. Sie fühlte sich körperlich gut. So gut, wie es einem Menschen nach einem Infarkt gehen konnte. Doch sie hatte ein erneutes Gespräch mit der Ärztin gehabt. Die bestand darauf, dass Dr. Pütz sich alsbald in die Reha begeben würde. Noch eine Woche würde sie unter Beobachtung stehen, solange müsse sie noch im Krankenhaus bleiben.
Auch Dr. Beisiegel hatte ihr gestern keinen Besuch abgestattet. Sie fü hlte sich allein, nutzlos, abgenabelt. Niemand konnte ihr die Traurigkeit und innere Verzweiflung nehmen. Sie legte sich auf ihr Bett und starrte die Decke an. Das nächste Highlight des Tages würde nun das Mittagessen sein. In vier Stunden. Sie wartete darauf.
*
Hell erwachte. Verwirrt. Hatte er geschlafen, oder war er erneut betäubt worden? Er versuchte, aufzustehen. Da entfuhr ihm ein Schmerzensschrei. Sein Gesicht schmerzte. Sein Brustkasten ebenfalls sowie auch sein Bauchbereich. Er rollte sich auf den Rücken, betastete sein Gesicht. Seine Lippen waren an mehreren Stellen aufgeplatzt, über dem linken Auge schien er eine riesige Platzwunde zu haben. Er fühlte darüber. Sie zog sich von der Schläfe bis über den Nasenrücken. Was hatte ihn dort getroffen? Über seinem anderen Auge fühlte er ebenfalls eine Beule. Er versuchte, sich zu erinnern.
Agayer.
Dann hatte er einen Schlag bekommen. Und noch einen. Danach wusste er nichts mehr. Erinnerungslücke.
Er fuhr sich mit der Zunge ü ber seine Lippen. Es fehlte ein Stück eines Schneidezahnes. In seinem Mundraum waren auch viele kleine Wunden zu spüren. Er legte sich flach auf den Rücken.
Als er erneut versuchte aufzustehen, spü rte er seine Blessuren an der Brust und an seinen Flanken. Vermutlich hatte man ihn getreten, als er schon auf dem Boden lag.
Was hatte Agayer gesagt? Er hä tte den Bruder des Mannes erschossen, der hinter ihm stand. Sicher hatte er ihm seine Wunden zu verdanken. Er tastete seinen Brustkorb ab. Er war kein Arzt, aber er hatte das Gefühl, eine Rippe sei gebrochen. Links. Es schmerzte höllisch beim Atmen.
Er blieb liegen. Warum sollte er auch aufstehen? Es wa r wieder stockfinster um ihn herum und er wusste nicht, wo genau er sich im Raum befand. Machte das einen Unterschied? Nein. Das tat es nicht.
*
Das Gespräch mit dem BKA hatte nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Es war in den nächsten Tagen kein Kontakt zu Behrend geplant. Es hatte Unruhe gegeben. Mamedov und Agayer hatten den Verdacht geäußert, dass vielleicht jemand geplaudert hatte. Das Wort Maulwurf machte die Runde. Behrend musste sich im Hintergrund halten. Seine Tarnung durfte zum jetzigen Zeitpunkt nicht auffallen. Daher konnte man Wendt leider nicht helfen. Der Erfolg der ganzen Undercover-Aktion war in
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