Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
persönlich erhalten? Herr Lessenich.“ Wendt betonte die beiden letzten Worte dramatisch.
Mit einer groß en Geste sagte Lessenich: „Sie sind genau so stur wie Hell.“
Er zog seine Stirn so sehr in Falten, dass sich seine Augenbrauen beinahe in der Mitte trafen.
„Ich sehe das mal als Kompliment, Herr Lessenich. Als sein Stellvertreter bin ich stolz darauf, wenn man mich mit meinem Chef auf eine Stufe stellt.“
„ Es ist aber leider kein Kompliment. Wenn man sich mit einer Aufgabe übernimmt, dann ist das kein Zeichen von Intelligenz. Sondern von Dummheit. Stehen Sie da auch gerne auf einer Stufe mit Hell?“
„ Wissen Sie, Herr Lessenich, es ist immer eine Frage, von wo aus man das betrachtet. Für ihre niedrige Stufe mag es so aussehen. Aber von da, wo wir die Dinge betrachten, ist das alles völlig in Ordnung. Aber beruhigen Sie sich. Irgendwann werden Sie auch da vielleicht ankommen. Mal ein Rat von mir: zuschauen, gut aufpassen, lernen, imitieren. Mit viel Glück kommen Sie irgendwann einmal auf unsere Stufe.“
„ Werden Sie nicht frech, Wendt.“ Zu den Augenbrauen gesellten sich nun auch noch Lessenichs vor Zorn funkelnde Augen.
„ Oh! Ich sehe da schwarz. Wenn sie das als Frechheit ansehen, dann fehlen Ihnen aber schon die Grundlagen für unseren Anfängerkurs.“ Er hielt dem Blick von Lessenich stand.
„ Manche Menschen rennen gegen die Wand, ohne es zu merken.“ Er starrte Wendt weiter an. Sein linkes Auge lief zur Mitte. Er schielte.
Wendt reagierte sofort.
„Mensch Lessenich, Sie schielen ja. Behindert Sie das nicht auf dem Schießstand? Weiß der Staatsanwalt von ihrer Dienstunfähigkeit?“
Jetzt war es fü r den Mann zu viel. Lessenich packte Wendt am Hemdkragen. Darauf war der aber locker vorbereitet. Mit einem geschickten Griff packte er Lessenichs Hand. Er presste den Daumen zwischen die Fingerknöchel seines Gegenübers und drückte zu. Lessenich lockerte den Griff sofort. Wendt stieß Lessenich von sich. Der hielt sich seine Hand.
„ Scheren Sie sich aus meinem Büro, Lessenich.“
„ Ja, wenn Sie versagen, dann haben Sie ihren Chef auf dem Gewissen. Nicht ich. Arroganz kommt vor dem Fall.“
Lessenich drehte sich um, und knallte die Türe hinter sich ins Schloss.
Klauk hatte der ganzen Situation mit einer gewissen Abneigung zugeschaut.
„Was jetzt? Wir sind zu dritt. Hell ist entführt, Rosin taucht nicht auf. Ein wenig Hilfe hätte uns gut getan.“
„ Wir holen Meinhold zurück. Sie wird unser Back up.“
„ Meinhold? Die ist in der Profiler-Schulung. Vergessen?“
„ Nein. Wenn sie erfährt, was los ist, ist sie für uns hier.“
„ Jan-Phillip, Du spinnst.“
„ Nein, ich spinne nicht. Ich ordne nur meine Ressourcen neu.“
„ Deine Ressourcen?“
„ Unsere Ressourcen“, verbesserte er sich.
Von drauß en drangen Straßengeräusche durch das geschlossene Fenster in den Raum. Die beiden saßen sich gegenüber. Klauk stand auf, und füllte die Kaffeemaschine mit Wasser, dann häufte er Pulver in einen braunen Papierfilter, den er gedankenverloren vorher immer wieder an der unteren Kante faltete.
„ Du weißt, dass man dich am Arsch kriegt, wenn das in die Hose geht?“
„ Ja, so ist das Spiel. Entweder Du gewinnst, oder sie kriegen dich am Arsch.“
„ Du siehst es als Spiel, Jan-Phillip? Es geht hier um Menschenleben. Es geht hier um das Leben unseres Chefs. Das ist alles andere, bloß kein Spiel.“
„ Nein, das ganze Leben ist ein beschissenes Spiel. Wir müssen nur sehen, dass wir das bessere Ende für uns haben. Das ist alles.“
Er packte Klauk bei den Schultern. Schü ttelte ihn. „Bist Du dabei?“
Klauk wischte den Griff beiseite.
„Wir hätten Hilfe gebrauchen können. Lessenich ist ein Arschloch. Aber er und seine Leute sind trotzdem Polizisten. Und wir brauchen jetzt jeden, der uns hilft.“
„ Deshalb rufe ich nun Meinhold an. Auf die können wir uns verlassen.“
Er setzte sich an Hells Schreibtisch. Zö gerte. Dann nahm er dessen Telefon in die Hand. Wendt kratzte sich am Hals. Er hatte noch nicht einmal Zeit, das seltsame Gefühl zu bemerken, an Hells Schreibtisch zu sitzen.
Sein Plan hing davon ab, dass Meinhold ans Telefon ging. Er drü ckte sich durch die Namensliste bis zu dem Buchstaben ‚M‘. Da stand ihre Nummer. Er starrte sie an. Und dann drückte er auf die grüne Taste. Sekunden später klingelte es durch.
„ Meinhold“, sagte sie. Wendt hörte die Verwunderung in ihrer Stimme. Sie
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