Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Schwester mit besorgtem Blick.
„ Darf ich ehrlich sein?“
„ Sicher.“
„ Wie auf meinem eigenen Sektionstisch. Monströs beschissen würde ich sagen.“
„ Sie haben großes Glück gehabt. Man hat Sie zurückholen müssen. Ihr Herz hatte schon Schluss gemacht.“
„ Aha, daher kommt das Gefühl, als hätte eine Herde Elefanten auf meiner Brust Samba getanzt. Ok.“
„ Ich bin sofort wieder bei Ihnen. Saft oder stilles Wasser?“
„ Wasser, kübelweise Wasser, bitte.“
Carola Pü tz fühlte sich schwach, ihr ganzer Brustkorb tat ihr weh, die Einstichstelle in der Leiste, durch die man das Katheder mit dem millimeterkleinen Ballon geführt hatte, juckte. Ihr Kopf brummte noch vom Sturz auf die Fliesen im Badezimmer. Mit der rechten Hand fühlte sie nach dem Verband, der um ihren Kopf gewickelt war. Sie versuchte sich etwas zu bewegen, dabei fuhr ein stechender Schmerz durch ihren rechten Arm und die Schulter. Damit war sie im Badezimmer auf dem Boden aufgeschlagen.
Du bist ein komplettes Wrack, dachte sie. Die Schwester kam mit einer Karaffe zurü ck. Sie schenkte der Ärztin ein Glas ein, half ihr beim Trinken. Sie trank das Glas in einem aus, verlangte ein Weiteres.
„ Mein rechter Arm tut weh.“
„ Sie sind im Badezimmer gestürzt. Daher auch die Kopfwunde. Die Schulter und der Arm sind leicht geprellt.“
„ Ist noch etwas ganz geblieben?“
„ Naja, da Sie ihren Humor behalten haben, scheint ihr Kopf schon wieder zu funktionieren.“
„ Dabei könnte genau der einige Funktionseinbußen gut vertragen“, sagte sie, was die Krankenschwester einfach überhörte. Sie spielte auf ihren Zählzwang an, was die Frau natürlich nicht wissen konnte. Längst hatte sie die Lamellen der Gardine, die Knöpfe auf dem Monitor, der unermüdlich ihren Puls anzeigte, die übermalten Bohrlöcher in der Wand und selbst die Katscher in der Oberfläche der hölzernen Schutzleiste, die auf Höhe der Betten an der Wand angebracht war, gezählt. Doch es machte ihr nichts aus, es löste keine Panik aus, wie in der Forensik. Ihre Macke und sie hatten einen Friedenspakt geschlossen. Wie lange? Auf Zeit.
„ Nachher kommt die Frau Doktor Schneverding vorbei, die Sie operiert hat. Sie wird Ihnen noch einige Dinge sagen müssen.“ Sie schaute dabei mit einem etwas belegten Blick auf ihre Patientin.
„ Ist schon ok, ich bin dann sicher wieder aufnahmefähig“, sagte sie mit leiser werdender Stimme, und schlief wieder ein.
Kapitel 7
Es ist alles wie ein Trichter, dache Ufuk Badak. Man lebt wie in einem Trichter. Strampelt sich ab, versucht das Beste zu geben. Doch schloss sich um einen herum immer alles dichter zusammen, und man wurde durch eine Öffnung gepresst. Man fiel. Der Aufschlag war hart. Das Strampeln hatte ein Ende. Das war das einzig Positive an der Sache. Ruhe. Badak wusste im Moment nicht, ob er sich nicht mehr wehren sollte. Sich einfach fallen lassen. Abwarten.
Verdammte Scheiß e dachte er. Verdammter Agayer. Wieso habe ich den Kerl verfehlt? War die Entfernung zu weit?
War ihm eigentlich klar, dass Agayer nur ein Befehlsempfä nger war? Ebenso wie er. Man hatte ihm gesagt, fahr nach Deutschland, finde diesen Badak. Rede mit ihm. Mache ihm klar, er ist raus. Weil er das Geschäft gefährdet.
Nein, Badak war kein Mann, der solche Zusammenhä nge erkannte. Er war ein Befehlsempfänger. Auf unterster Ebene.
Geh hin.
Hau dem in die Fresse.
Treib hier Geld ein.
Das waren Befehle, die er verstand.
Jetzt ü berlegte er, was er tun sollte. Er ging in seinem Zimmer auf und ab, was so wenig Persönliches ausstrahlte wie er selber. Agayer hatte ihn gesehen. Er würde ihn wieder finden. Er würde ihn töten. Badak musste weg aus Frankfurt. Keiner sollte ihn finden. Wenn er es schaffte, sich so lange versteckt zu halten, bis Agayer die Suche aufgab, dann hatte er eine Chance. Sonst würde er in einem Hinterhof mit ein paar Kugeln im Kopf enden.
Keiner wü rde ihm nachtrauern. Nicht seine Familie. Die hatte ihn wegen seiner kriminellen Gewohnheiten verstoßen. Sein Vater hatte ihn verstoßen. Keiner würde trauern. Die einzigen Freunde, die Badak besaß, wohnten in Bonn. Dort kannte er sich aus. Dort konnte er sich vor Agayer verstecken.
Er packte ein paar Sachen in einen groß en Rucksack, warf einige Dinge aus dem Badezimmer hinein. Aus einem Versteck holte er noch mehrere Packungen mit Patronen, die ebenfalls in den Rucksack wanderten. Dann verließ er das Haus. Nicht ohne sich umzublicken.
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