Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Akten zu machen.
Meinhold nahm Hell zur Seite. Sie drü ckte ihm herzlich die Hand. „Danke, Chef. Ich bin so froh, dass alles geklappt hat.“ Ihre Augen strahlten mit ihrem Lächeln um die Wette.
„ Sie haben es verdient, Christina. Ich hoffe, dass ihr Disput mit Wendt bald beigelegt sein wird.“
„ Ich denke, dass er es sich jetzt überlegt, was er sagt. Der Anschiss eben war deftig genug.“
Hell antwortete darauf nicht, sondern fragte Lea Rosin, ob sie ihre Waffe daheim hätte.
„ Nein, ich trage momentan keine Waffe. Kann ich wählen?“, fragte sie, obwohl sie wusste, dass sie keine Wahlmöglichkeit hatte. Die deutsche Polizei trug standardmäßig die HK P30. Die Heckler & Koch P30 hatte die Sig Sauer P6 abgelöst, die seit neunzehnhundertsiebzig die Dienstwaffe der Polizei war.
„ Nein“, sagte Hell, obwohl die Frage ironisch gemeint war.
„ Ich hätte eine Glock gewählt“, brabbelte Lea Rosin noch vor sich hin.
Klauk horchte auf. „ Eine Glock? Welche denn?“
Klauk war der beste Schü tze der Bonner Polizei, jedenfalls mal unter den Bonner Kriminalbeamten.
„ Ich hätte eine Glock 23c gewählt, wegen des verkürzten Griffstückes. Die liegt besser in meiner zarten Frauenhand“, scherzte sie.
„ Gute Wahl“, feixte Klauk, „Jedenfalls für eine Frau.“
Sie traute sich und knuffte ihn in die Seite. Ihre Augen begegneten sich. Nicht nur zufä llig.
Die beiden philosophierten noch lange ü ber die Vorzüge von dieser und jener Waffe. Dabei vergaßen sie völlig die Zeit. Klauk fand seine neue Kollegin sehr sympathisch. Lea Rosin ging es ebenso. Wendt mochte nicht so ihr Fall sein. Bis jetzt. Es konnte sich ändern. Sie war nicht nachtragend. Einen schlechten Tag hatte jeder einmal. Wendt war der Stellvertreter Hells. Sicher hatte Hell ihn nicht ohne Grund zum Stellvertreter ernannt.
*
Die Sonne brach langsam durch die Wolken dieses Tages im November. Als Agayer in seinem Hotel am Main angekommen war, ging er nicht zum Aufzug. Er ging zur Rezeption, verlangte die Rechnung, zahlte. Es war zu gefährlich. Badak hatte ihn bis zur Brücke verfolgt. Es würde nicht lange dauern, bis er sein Hotel entdeckt hätte. Das durfte nicht passieren.
Daher zog er aus. Er rä umte die Kommoden leer und packte seine Koffer. Mit Wehmut stand er am Fenster und schaute hinunter auf den Main. Im Hintergrund sah er die Skyline von Frankfurt, die ihn ein wenig an Baku erinnerte. Nur ein wenig. Agayer sehnte sich in letzter Zeit immer öfter nach einem Ort, den er Heimat nennen konnte. Die hatte er nicht. Er hatte eine Arbeit. Er hatte Aufgaben. Aber er hatte keine Heimat. Er war ein Mann auf Abruf.
Agayer lud seine Waffe nach und steckte sie zurü ck in den Holster. Eine Viertelstunde später stieg er in den Leihwagen, den er an der Rezeption gemietet hatte.
Er hatte eigentlich ü berhaupt kein Ziel. Er hatte die Aufgabe Badak zu finden und ihn zur Rede zu stellen. Das hatte er getan. Mit einem Ende, was er nicht erwartet hatte. Jetzt konnte man sagen, er sei auf der Flucht. Vor Badak. Er hatte gepokert und verloren. Er wählte die Nummer von Behrend.
„ Agayer noch einmal. Hat sich Badak bei Ihnen gemeldet?“
„ Nein, noch nicht.“
„ Wenn er sich meldet, würden Sie mir bitte Bescheid sagen?“
„ Ja, das kann ich machen“, sagte Behrend.
„ Wohin würde er gehen? Was denken Sie?“
„ Nach Bonn, dort hat er Freunde. Von dort kommt er.“
„ Ich brauche den Ansprechpartner vor Ort.“
Behrend ü berlegte.
„ Ich schicke Ihnen die Kontaktdaten auf Ihr Handy. Wie gesagt, sobald er sich meldet, kriegen Sie eine Info von mir. Wobei ich aber vermute, dass er das tunlichst vermeiden wird. Er weiß ja, dass wir in Kontakt stehen.“
„ Ja, da haben Sie Recht, Herr Behrend. Bis bald.“ Er legte auf.
Eine halbe Minute spä ter brummte sein Smartphone. Der Mann hieß Chingiz Dadash Mamedov. Er war aserbaidschanischer Staatsbürger wie Agayer auch. Agayer tippte die Bonner Geschäftsadresse des Mannes in das Navi des Fünfer BMW, startete den Motor und fuhr los.
Bonn.
Agayer war auf dem Weg nach Bonn.
*
Die Krankenschwester überprüfte den korrekten Sitz der Kanüle im Arm von Carola Pütz. Sie erschrak. Die Patientin griff plötzlich nach ihrem Arm. Sie hatte gedacht, sie schliefe noch tief und fest.
„ Ich habe Durst. Haben Sie etwas zu trinken für mich, bitte?“ Ihre Augen waren trübe und noch leicht blutunterlaufen.
„ Aber sicher. Wie fühlen Sie sich?“, fragte die
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