Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
nach der Reha. Und ich kann Ihnen versichern, es hat schon viele wie Sie gegeben. Für alles hat sich etwas Neues ergeben. Das Leben ist so faszinierend, es findet sich für jeden eine Aufgabe.“
Dr. Pü tz erinnerte sich daran, wie sehr bedrückt sie nach den Worten der Ärztin gewesen war. Mittlerweile war sie sich sicher, sie würde eine Ausnahme bilden. Sie würde danach wieder in ihrem Beruf arbeiten. Sie war mit Leib und Seele forensische Pathologin. Was sollte sie sonst tun?
Immer wieder kehrten die Zweifel zurü ck, die die Ärztin gesät hatte. Seitdem hatte sie auch diese Alpträume. Existenzangst. Sie fragte sich auch, ob das den Heilungsprozess förderte. Hätte sie erst nach den drei Wochen die Wahrheit berichtet bekommen, so hätte sie bis dahin Ruhe gehabt. Die hatte sie jetzt nicht. Dank der Ärztin mit der spitzen Nase. Sie legte sich wieder zurück und fixierte schläfrig den roten Punkt ihr gegenüber an der Wand. Das Bereitschaftslicht des Fernsehers. Der Punkt begann zu tanzen, wurde zur Spirale.
*
Stephanie Beisiegel betrachtete intensiv die zweite Kugel, die sie aus der Brust des Opfers gezogen hatte. Sie packte sie mit der Pinzette und hielt sie ins Licht. Kein Zweifel. Beide Kugeln waren neun Millimeter Parabellum-Munition. Damit gehörten sie zu den am meisten verwendeten Patronen der Welt.
Sie ließ die Kugel, die kaum verformt war, in die Aluminiumschale neben die andere Kugel gleiten und stellte die Schale beiseite. Sie widmete sich wieder dem Leichnam.
Eine Kugel schlug in die linke Herzkammer des Mannes, die andere drang kurz daneben ein und zerriss die Pulmonalklappe. Der Mann war schon tot, bevor er den Boden berü hrte, dachte sie. So wie sie es bereits am Abend zuvor geäußert hatte, das war das Werk eines Profis. Aus ganz Nordrhein-Westfalen, und darüber hinaus, landeten Tote mit Schussverletzungen auf ihrem Obduktionstisch. Die Bonner Gerichtsmedizin war darauf spezialisiert. Dieser Tote hier war der Erste, den sie vor sich liegen hatte, der ein solches Trefferbild aufwies. Die Schüsse waren aus kurzer Entfernung abgegeben worden. Schnellfeuer. Eine Glock 18 oder 18 c. Da war sie sich sicher, ohne die Ergebnisse der KTU abwarten zu müssen.
Sie zog ihre Handschuhe aus und wä hlte die Nummer von Hell.
„ Hallo, Stephanie hier. Ich hatte gestern gut getippt. Die Kugeln sind mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Glock 18 oder 18 c abgefeuert worden. Neun Millimeter Parabellum. Aus nächster Nähe, ich schätze aus höchstens drei Metern. Der Mann war sofort tot. Das sieht mir alles nach einem Profi aus. Aber wartet ab, was die KTU zu der Munition sagt. Ich wollte nur schon einmal vorab Bescheid sagen.“
Als sein Telefon klingelte, hö rte Hell gerade dem Bericht von Lea Rosin zu. Sie saßen im Besprechungsraum. Hinter ihnen an der Wand hingen jetzt neben den Fotos der drei getöteten Frauen die Polizeifotos von Hasan Cetin und Kenan Bilen. Zusammen mit ihrem Strafregisterauszügen.
Er nickte und bedankte sich bei Dr. Beisiegel. „Fahren Sie bitte fort, Lea“, sagte er.
„ Was Neues?“, fragte Klauk.
„ Später“, antwortete Hell.
Lea blickte unschlü ssig in die Runde. Dann fuhr sie fort.
„ Ich habe die Wohnungen, wo mir gestern Abend noch jemand geöffnet hat, auf dem Plan markiert. Dabei habe ich gestern die bevorzugt, deren Fenster zum Park hin zeigen.“
Lea Rosin hatte sich bei Maps.Google eine Karte ausgedruckt und die Wohnungen, deren Bewohner schon befragt wurden, rot markiert.
„Das war wenig effektiv“, fuhr sie fort, „Entweder hat keiner etwas gehört, oder er war zur fraglichen Zeit noch nicht daheim. Ich werde nachher wieder dorthin fahren, aber ich fürchte, das Ergebnis bleibt mau.“
„ Aber dort wohnen tatsächlich Menschen und keine blinden und schwerhörigen Zombies?“, fragte Hell.
Alle lachten. Klauk wunderte sich ü ber den Kommentar seines Chefs.
„ Macht es Sinn bei der Telekom nachzufragen? Eventuell hat der Wachdienst etwas bemerkt“, sagte Klauk.
„ Wunderbar, Sebastian, das kannst Du dann machen. Du hast ja schon Erfahrung mit den kompetenten Wachleuten bei der UN“, scherzte Wendt.
„ Ok, Klauk, machen Sie das. Fragen Sie aber bitte vorher, ob zu der Zeit der Wachdienst schon im Hause war. Sonst können wir uns das schenken. Wendt, was gibt’s Neues zu unseren beiden Opfern von gestern Abend?“
Wendt stand auf und ging zur Pinnwand herü ber. Er zeigte auf Bilen. „Kenan Bilen,
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