Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Uhr zur Besprechung trafen.
*
Noch in der Nacht wurde die Leiche als Kenan Bilen identifiziert. Bei dem Schwerverletzten handelte es sich um Hasan Cetin. Beide waren polizeibekannte Kleinkriminelle. Mitläufer. Cetin lag nun auf dem Venusberg drei Zimmer neben Dr. Pütz auf der Intensivstation, Bilen dagegen in einem dunklen, engen Fach in der Kühlkammer der Gerichtsmedizin. Er würde morgens der Erste auf dem Obduktionstisch von Dr. Beisiegel sein.
Cetin wurde noch am Abend notoperiert. Er lag nun im Koma. Wie lange konnten die Ärzte nicht sagen. Es gab eine recht große Wahrscheinlichkeit, dass er nie mehr aufwachte. Die Kugel war oberhalb der linken Schläfe eingedrungen, war durch den Aufprall auf das Keilbein stark abgebremst worden, und an der Hirnschale wie eine gerade abgefeuerte Flipperkugel entlang gesaust. Nun saß sie beinahe genau hinter seinem rechten Gehörgang. Auf dem Weg dorthin hatte sie allerhand Zerstörung angerichtet.
Um dreiundzwanzig Uhr fuhr die Polizei bei Hasan Cetin v or. Fünf Minuten später kam Ufuk Badak ebenfalls zur Wohnung seines Freundes zurück. Nachdem er sich einen Döner geholt hatte, war er den ganzen Abend in einer Spielhalle gewesen. Er hatte gewonnen. Zweihundert Euro steckten in seiner Geldbörse. Er war bester Laune.
Als er aus der Seitenstraß e kam und um die Ecke bog, sah er plötzlich die Blaulichter der Streifenwagen. Badak stürzte zurück, drückte sich an die Hauswand. Sein Herz beschleunigte. Bullen. Waren die wegen ihm hier? Woher sollten sie wissen, wo er sich aufhielt? Oder war Hasan etwas passiert?
Er grü belte fieberhaft. Sein Freund hatte auf keinen Anruf und auch auf keine SMS geantwortet. Er schaute wieder um die Ecke und sah, wie zwei weitere Beamte in den Hausflur gingen. In der Wohnung seines Freundes brannte Licht. Es dämmerte ihm, dass irgendetwas schief gegangen war. Hasan hätte ihn niemals verraten.
Also, was war passiert?
Seine Phantasie schlug Kapriolen. Sie hatten Agayer gefunden und der hatte sie beim Schnüffeln erwischt. Hatte er sie umgebracht? Hasan und Kenan waren vielleicht tot. Wegen ihm. Die Gedanken rasten Amok in seinem Kopf. Gleichzeitig wurde ihm übel. Was bedeutete das? Hatte Agayer nun die Adressen von Hasan und Kenan? Hatte er die Handys? Wenn ja, dann wusste er, wo die beiden wohnten. Dann würde er die Wohnungen bewachen. Saß er womöglich schon in einem Auto hier in der Straße und sah das gleiche, was er nun sah? In völliger Panik blickte er sich um.
Badaks Magen krampfte sich zusammen. Der halbverdaute Dö ner klatschte vor ihm auf den Bürgersteig. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Weg.
Du musst hier weg.
Er begann zu rennen.
*
Kapitel 9
Ein Mann mit einem Stethoskop stand über ihr. Er drückte ihr das Instrument so fest auf die Brust, das es schmerzte. Sie versuchte danach zu schlagen, als sie bemerkte, dass sie gefesselt war. Sie wollte schreien, doch auch ihr Mund war geknebelt.
Dr. Pü tz wachte aus dem Alptraum auf. Sie war schweißgebadet. Es war mitten in der Nacht. Was träumst du für einen Scheiß? Der Nachthimmel war dunkel, doch die unermüdliche Apparatur hinter ihr spendete genug Licht, um zu sehen, dass es erst halb vier Uhr war. Noch viel zu früh, um wach zu bleiben. Sie tastete nach der Karaffe mit Wasser, goss sich ein Glas ein, und trank es gierig aus.
Was soll jetzt aus dir werden? Wenn du es nicht schaffst, wieder zu arbeiten. Die Ä rztin hatte sich vor sie gesetzt und sie mit großen Augen lange angesehen. Dr. Pütz betrachtete dabei ihre spitze Nase.
„ Sie haben großes Glück gehabt, Frau Kollegin“, sagte die Ärztin, „Etwas später, dann hätte man sie nicht mehr retten können.“
„ Ja, da habe ich wohl gleich ein paar Schutzengel gehabt.“
„ Ja, kann man so sehen. Die werden Sie auch in Zukunft brauchen können.“
Dr. Pü tz stutzte. „Was meinen Sie damit?“
Die Ä rztin zögerte. Dr. Pütz merkte, dass sie schluckte. „Sie werden in Reha gehen müssen. Aber selbst danach sind sie höchstwahrscheinlich nicht mehr in der Lage ihren Beruf auszuüben. Sie riskieren einen weiteren Infarkt.“
„ Das können Sie jetzt schon sagen? Vor der Reha?“
„ Ja, das sagt mir meine Berufserfahrung. Die, die sich nicht daran gehalten haben, sah ich nach kurzer Zeit wieder.“
Carola Pü tz fühlte, wie man ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Sie schaute aus dem Fenster.
„ Was soll ich ohne meine Arbeit machen?“
„ Die Frage stellen Sie sich
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