Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
vorbeigehen, um sein Beileid auszusprechen. Sicher würde die Polizei dort sein und auf ihn warten. Oder Agayer. Oder beide. Agayer konnte sich unerkannt in Bonn bewegen, keiner wusste von seiner Anwesenheit. Die Polizei kannte sein Gesicht nicht. Badak zerdrückte den Pappbecher voller Wut und warf ihn in den Mülleimer vor der Türe des Cafés.
*
Wendt stand vor der Türe des Krankenzimmers, in dem Hasan Cetin lag. Er hielt sein Ohr an die Türe. Von drinnen vernahm er Stimmen. Er wusste, dass ein Streifenpolizist bei Cetin Wache hielt. Als Sicherung. Aber die Stimmen war nicht Deutsch. Wendt zögerte. Dann klopfte er zaghaft. Die Stimmen verstummten. Er hörte Schritte auf dem grauen Linoleumfußboden. Die Tür ging auf. Ein grauhaariger Haarschopf zeigte sich. Dunkelbraune Augen voller Trauer.
„ Guten Tag, mein Name ist Jan-Phillip Wendt, Kripo Bonn. Hier liegt doch Herr Hasan Cetin, oder?“
„ Ja“, sagte der Mann, „Mein Sohn liegt hier. Ich bin Süleyman Cetin. Was kann ich für sie tun?“ Er öffnete die Türe ganz, drehte sich um und sagte etwas auf Türkisch in den Raum hinein. Er trug ein dünnes, blaues Hemd mit langem Arm, unter dem das weiße Unterhemd durchschien. Dazu eine graue Flanellhose und seine Füße steckten in grauen Slippern. Das Hemd ist eigentlich zu dünn für die Jahreszeit, dachte Wendt.
„ Ich bin hier um mich nach dem Befinden ihres Sohnes zu erkundigen. Für uns ist es sehr wichtig, ihn zu befragen. Er kennt den Mörder seines Freundes.“
Sü leyman Cetin blickte ihn aus traurigen Augen an. Wendt sah, wie sich Tränen in den hängenden Lidern des Mannes sammelten.
„ Mein Sohn“, sagte er mit zitternder Stimme, „Mein Sohn wird vielleicht nie wieder wach. Er war nicht immer ein guter Sohn. Er hat viele Probleme gemacht, aber er ist mein Sohn.“
Er packte Wendt leicht am Revers.
„Wer hat das getan, Herr Polizist?“
Wendt war von der Trauer des Mannes angefasst. Er schluckt e. Cetin ließ das Revers wieder los.
„ Tut mir Leid, genau das müssen wir schnell herausfinden. Hatten Sie Kontakt zu ihrem Sohn?“
„ Kontakt? Mein Sohn hat sein eigenes Leben geführt. Er hat schon lange nichts mehr erzählt.“
„ Wissen Sie, für wen ihr Sohn gearbeitet hat?“
„ Arbeiten? Nennen Sie das nicht Arbeit, bitte. Mein Sohn war ein Dieb, er hat mit Drogen gehandelt. Ist das Arbeit? Ich habe mich immer gut gefühlt, wenn er im Gefängnis saß. Dann konnte er nichts anrichten. Verstehen Sie? Ein Vater, der froh ist, wenn sein Sohn im Gefängnis sitzt? Aber es war so.“
Cetin blickte auf den Boden. Beschä mt. Wendt hatte Mitleid mit ihm. Und es tat ihm leid, dass er Hasan Cetin noch vor einer Stunde als Kanaken bezeichnet hatte. Es gab sehr viele ehrliche Türken. Hier stand einer vor ihm.
„ Herr Cetin, ich kann sie gut verstehen. Ist mal ein Name gefallen, auch beiläufig vielleicht? Jede noch so kleine Spur ist immens wichtig für uns.“
Sü leyman Cetin blickte stumpf vor sich hin. Was er sagte, schien ihm Mühe zu machen.
„ Hasan hat nie viel erzählt. Er sagte, wenn ihr nichts wisst, seid ihr auch sicher. Aber er erwähnte vor ein paar Monaten, dass er jetzt einen neuen Auftraggeber hatte. Mit den Drogen sei jetzt Schluss, er wäre jetzt in der Modebranche. Dabei hat er gelacht. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, tut mir Leid.“
Wendt hö rte genau zu. Modebranche. Das würde sehr gut passen. Die toten Näherinnen. Badak.
„ Sie haben mir sehr geholfen, Herr Cetin. Habe ich eben eine Frauenstimme gehört? Ist das vielleicht ihre Frau? Wäre es zu viel verlangt, wenn Sie sie eben kurz fragen würden, ob sie vielleicht …?“
Er brauchte den Satz nicht zu vollenden. Sü leyman Cetin öffnete die Türe und sagte etwas auf Türkisch. Jemand antwortete. Eine Frauenstimme.
„ Nein, meine Frau weiß auch nicht mehr. Würden Sie uns jetzt bitte alleine lassen?“, sagte er, als er sich wieder Wendt zuwandte.
„ Aber sicher, vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen. Ich hoffe für ihren Sohn, dass er wieder zu sich kommt. Auf Wiedersehen, Herr Cetin.“
Wendt reichte ihm die Hand. Der Hä ndedruck des Mannes war fest. Schon war er hinter der Tür verschwunden.
Wendt ging den Gang entlang. Also hatte auch Cetin mit der Geschichte zu tun. Agayer, Badak, Cetin. A, B, C. Wendt musste grinsen . Die ‚Modebranche‘ hatte er das genannt. Markenpiraterie nannte man es im Volksmund. Die Spur führte zu Mamedov. Dann werden wir dem Herren mal auf den
Weitere Kostenlose Bücher