Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
erste Mal bei ihm in der Werkstatt auftauchte. Aber selbst dazu war er zu wenig Mann. Ebenso wie er zu wenig Mann gewesen war, seine Schwester zu verteidigen. Am liebsten wäre er auf die Knie gefallen und hätte gebetet, dass alles vorbei sein sollte. Aber selbst das schaffte er nicht.
Vor drei Monaten stand Jochheim plötzlich in seiner Werkstatt. Er sagte, er hätte ein Problem mit seinem Auto und er hätte gehört, dass Gericke ein fähiger Mechaniker sei. Der hatte sich durch diese falschen Worte gebauchpinselt gefühlt.
Ebenso war er zu naiv, um festzustellen, dass Jochheim ihm nur Honig um den Bart strich. Gericke reparierte sein Auto. Zwei Tage später stand Jochheim wieder in der Werkstatt. Gericke befürchtete, dass er etwas verpfuscht hätte, am Auto. Doch Jochheim konnte ihn dahingehend beruhigen. Stattdessen machte er ihm ein Angebot.
„ Wenn ich mich hier so umschaue, dann gehe ich davon aus, dass Sie nicht mit Reichtum gesegnet sind“, sagte er und seine kalten, grauen Augen fixierten sein Gegenüber genau.
Gericke erhob sich aus einem Motorraum, wischte sich die öligen Finger an einem Lappen ab und schaute ihn misstrauisch an.
„ Ich komme klar“, antwortete er.
„ Gut, ich hätte eine kleine Aufgabe für Sie gehabt, bei der Sie mal eben tausend Euro hätten einstreichen können. Aber dann suche ich mir jemand anderen“, sagte er und wandte sich zum Gehen.
Gericke schaute ihm hinterher.
„ Warten Sie, bitte.“
Jochheim blieb stehen. Mit dem Rücken zu Gericke flog ihm ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht. Dann drehte er sich wieder um, sofort verschwand das Grinsen.
„ Was soll ich für sie tun?“, fragte ihn Gericke.
Wochen später verfluchte er diesen Satz. Er wünschte sich, er hätte den Mann gehen lassen. Sein Leben wäre in seinen ruhigen Bahnen weitergelaufen. Ohne großen Reichtum. Er hätte sich nicht in Abhängigkeit begeben. Aber ohne in Gefahr leben, zu müssen. Ohne ständige Angst.
Der erste Auftrag war schnell erledigt. Er musste in Frankfurt einen Koffer abgeben. Er freute sich diebisch über den Deal, der ihm für ein paar Stunden Arbeit so viel Geld einbrachte. Auch der zweite und dritte Auftrag verliefen reibungslos.
Von Jochheims Plan, sich einen willfährigen Gehilfen heranzuziehen, ahnte er nichts. Auch die Warnungen seiner Schwester schlug er in den Wind.
Doch dann kam der Tag im Mai, der alles veränderte. Bei der Übergabe des Koffers kam es zu einem Zwischenfall. Wie Gericke erst im Nachhinein erfuhr, hatte er als Kurier für Jochheims zwielichtige Geschäfte gedient. Die Koffer, in die er nie hineinsehen durfte, enthielten Geld. Oder Drogen. Oder beides.
Gericke wurde bei der Übergabe von Mitgliedern einer anderen Bande angegriffen und setzte sich zur Wehr. Wie es nicht anders kommen konnte, verletzte er dabei einen der Angreifer.
Der ahnungslose Gericke stellte darauf Jochheim zur Rede. Der grinste ihm nur frech ins Gesicht.
„ Was denkst Du, mein Kleiner? Das Du Schokolade transportiert hast? Oder Überraschungseier? Wie naiv bist Du? Denkst Du, dafür ließe ich so viel Geld springen?“ Er lachte hämisch.
Gericke hasste sich in dem Moment für seine Naivität.
„ Für welchen Zweck sind diese Gelder? Was führen Sie eigentlich im Schilde? Sind Sie Drogenhändler? Oder was?“ Gericke ballte seine Hände zu Fäusten.
„ Mein Kleiner, das geht dich überhaupt nichts an.“
Gericke warf seine Hände nach oben und schüttelte energisch den Kopf.
„ Ich steige jedenfalls aus. Das war meine letzte Fahrt für Sie“, sagte er.
Jochheim schien diese Aussage nicht zu kratzen. „Das kannst Du vergessen. Du hängst jetzt mit drin. Aussteigen ist nicht. Oder soll jemand der Polizei etwas stecken? Das wäre doch schade.“ Sein Tonfall hatte etwas Hinterlistiges.
Gerickes Sinne schienen ihm zu schwinden. Das konnte doch nicht wahr sein. Der Kerl hatte ihn in der Hand. Er hatte Angst. Dennoch wagte es Gericke, mit ein paar Schritten zu Jochheim herüberzukommen und sich drohend vor ihm aufzubauen.
„ Sie dürfen nicht vergessen, ich kann Sie genauso an die Bullen verpfeifen. Das macht mir gar nichts.“ Gericke wunderte sich über seinen plötzlich vorhandenen Mut. Doch der sollte nicht lange Bestand haben.
Jochheim stieß ihm hart mit der Faust vor die Brust. „Was willst Du, Du kleiner Kacker, hä? Mir drohen? Das solltest Du dir aber fein überlegen!“, stieß er hervor.
Mit einer langsamen Bewegung holte er etwas aus seiner
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