Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
sein“, sagte Hell. Ihm war bewusst, wie weit er sich in bedrohliches Gewässer begab, mit so einem unverhohlenen Angriff gegen die Anweisungen der Staatsanwaltschaft.
Wie bei einem Wetterleuchten funkelte es tief in den Augen von Brigitta Hansen. Was sollte sie Hell sagen? Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? Ihre Wahrheit? Oder sollte sie das vorschieben, was sie als die Aufgabe der Polizei ansah? Sie entschied sich für den einfacheren Weg, hob ihre Nase ein wenig arrogant nach oben und trat einen Schritt näher an Hell heran.
„ Kommissar Hell, ich schätze Sie als Menschen und Kriminalisten. Und ich hoffe, dass Sie mich auch bald so zu schätzen lernen und meine Anweisungen nicht in Frage stellen. Guten Tag, Kommissar Hell.“
Sie drehte sich auf den hohen Hacken ihrer Stilettos um und ließ Hell alleine im Flur stehen. Der schaute der Anwältin solange nach, bis ihre Schritte im Flur verhallten.
*
Das Radio sendete die Nachrichten. Es war sechzehn Uhr und drei Minuten. Der Moderator kam zum Wetter.
Die Nachrichten hatten natürlich erneut über den Mord an Lars Königer berichtet. Schließlich war dieser neuerliche Mord neben dem verheerenden Unwetter Thema des Tages. Den Hörern wurden die neuesten Erkenntnisse der Pressekonferenz präsentiert. Doch von einem weiteren Video hatte der Moderator nichts berichtet. Der Mann in dem grauen Opel schnappte sein Handy vom Beifahrersitz und suchte die App von Radio-Bonn-Rhein-Sieg. Nichts. Auch auf der Homepage vom WDR war kein Video eingestellt.
Ärgerlich kurbelte er das Seitenfenster herunter und schaute hinaus. Hatte er Demian Roberts falsch eingeschätzt? Seine peinliche Geltungssucht? Seine schäbige Überlegenheit, die er bei jeder Gelegenheit raushängen ließ? Er startete übel gelaunt den Motor und fuhr zur Wohnung von Roberts.
*
Wendt setzte sich an den Besprechungstisch und zog sich sein Tablet heran. „Was kann ich Ihnen noch erklären, meine Herren. Wie ich sehe, sind sie bereits tief in die Akten vertieft“, sagte Wendt in Anspielung auf Arne Holz, der seine Augen nicht von den Akten nahm.
Was Wendt für einen Anfall von akribischer Arbeit hielt, war für den BKA-Beamten allerdings ein Zeichen von äußerster Missachtung. Nachdem er Wendt kennengelernt hatte, war seine Meinung über ihn festgemeißelt wie die Gesichter der amerikanischen Präsidenten auf dem Mount Rushmore. Er hielt Wendt für aufgabenorientiert. Was für ihn gleichbedeutend war mit der Bewertung ‚absoluter Fachidiot, dem der Blick für das große Ganze fehlt‘. Er mochte seine ganze Erscheinung nicht, die für Außenstehende manchmal den Eindruck eines surfenden Sonnyboys hinterließ. Diesen Eindruck hatte auch Holz von Wendt gewonnen. Und es war sehr schwer, diesen einmal gewonnenen Eindruck wieder zu revidieren.
„ Was haben Sie getan, um diesen Stephan Gericke zu finden?“
„ Er ist zur Fahndung ausgeschrieben. Seine Schwester und seine Wohnung werden überwacht, ebenso wie seine Garage“, antwortete Wendt wahrheitsgemäß auf die Frage von Holz, die er ihm ohne einen Blick von den Akten zu nehmen, gestellt hatte.
„ Und was war mit diesem mysteriösen Auto, das vor ihren Augen angezündet wurde? Wurde der Wagen in der KTU untersucht?“
Wendt überhörte die Spitze. „Sicher.“
„ Was sicher?“
„ Er wurde untersucht.“
„ Und wo sind die Ergebnisse dieser Untersuchung? Ich finde hier nichts darüber“, stichelte Holz weiter. Sein Kollege warf ihm einen warnenden Blick zu, den er allerdings nicht wahrnehmen konnte, da er immer weiter in den Akten blätterte.
„ Ich habe den Bericht der KTU hier auf dem Schreibtisch liegen“, antwortete Wendt langsam etwas genervt.
„ Und warum ist er nicht in dieser Akte?“, fragte Holz. Er knallte den roten Ordner auf den Tisch vor sich, „Ist das ihre Art zu arbeiten hier in Bonn?“ Einige der Blätter aus dem Ordner flogen über den Tisch. Wendt schaute Holz an. Feindselig.
„ Wir hatten mit der Vorbereitung der Pressekonferenz zu tun, wie Sie ja eben selber gesehen haben. Der Bericht kam, als Hell und ich schon im Gehen waren.“
„ Wie sollen wir uns in den Fall einarbeiten, wenn Sie uns Material vorenthalten?“, fragte er angriffslustig. Sein Partner warf ihm erneut einen scharfen Blick zu. Doch Holz missachtete ihn.
„ Niemand verweigert Ihnen Einblick in unser Material, da können Sie sicher sein, Herr Holz“, antwortete Wendt nicht weniger offensiv.
„ Was Sie nicht sagen?
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